FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

Daten kommt den Asset Managern des- halb recht. In der Regel arbeiten sie mit gleich mit mehreren Datenlieferanten zusammen. Das hat einerseits den Vorteil einer zweiten oder gar dritten Meinung, aber da fangen die Probleme auch schon an. „Die Verschiedenartigkeit der Vor- stellungen vom Begriff Nachhaltigkeit sowie die Multidimensionalität des Themas lassen an der Ent- scheidungsnützlichkeit vieler Nachhaltigkeitsinformationen für einen großen Adressatenkreis zweifeln“, urteilt Lehmann. Fehlende Standards Das Problem kaum vorhande- ner Reporting-Standards kritisiert auch Jeroen Bos. „ESG-Ratings basieren sehr stark auf Meinun- gen, weniger auf Fakten“, so der Leiter Responsible Investing bei NN Investment Partners. Daher sei es entscheidend, die dem je- weiligen Rating zugrunde liegen- den Standpunkte zu verstehen. „Da ESG-Bewertungen des glei- chen Unternehmens von verschie- denen Ratingagenturen sehr unter- schiedlich ausfallen können, sind die Kombination verschiedener Quellen und deren Verknüpfung mit eigenen Analysen notwendig“, ergänzt Bos. Er weist auf ein weiteres Problem hin: Die meisten ESG-Bewertungsmetho- den sind nämlich allen Branchen gegen- über neutral eingestellt. Selbst in Bran- chen mit ernsthaften Nachhaltigkeitspro- blemen wie Öl, Gas oder Tabak schneiden einige Unternehmen bei den ESG-Kenn- » Untersuchungen zeigen, dass die Korrelation zwischen den ESG-Bewertungen verschiedener Ratingagenturen bei nur 0,3 liegen kann. « Bernd Deeken, Berenberg Flossbach von Storch bemängelt die Vergleichbarkeit von ESG-Daten In einer umfangreichen Studie hat sich Kai Lehmann vom Flossbach von Storch Research Institute mit der Ver- gleichbarkeit von ESG-Ratings auseinandergesetzt. Der Analyst kommt darin unter anderem zu dem Ergebnis, dass die ESG-Beurteilungen der verschiedenen Rating- anbieter zum Teil deutliche Differenzen aufweisen. Bei- spielhaft zeigt Lehmann das an ausgewählten Unterneh- men aus dem Automobilsektor. Während etwa die Volks- wagen AG beim Ratinganbieter MSCI ESG auf null Punkte und bei Sustainalytics zuletzt nur auf etwa 19 Punkte kam (wobei 100 Punkte den besten Wert darstellen), bewer- tete RobecoSAM die ESG-Performance von Volkswagen mit 65 Punkten. Die Porsche Automobil Holding SE hin- gegen kommt bei Sustainalytics auf 88 Punkte, während das Unternehmen bei RobecoSAM mit 45 Punkten deut- lich schlechter abschneidet. Auch die amerikanischen Hersteller General Motors (GM) und Tesla werden in Abhängigkeit der Ratingagentur höchst unterschiedlich bewertet. So kommt GM bei MSCI ESG auf gerade ein- mal drei Punkte, während die beiden anderen Anbieter die Nachhaltigkeitsbemühungen mit 60 beziehungsweise 90 Punkten goutieren. Tesla hingegen wird von MSCI ESG mit 65 Punkten überdurchschnittlich gut bewertet, bei Sustainalytics und RobecoSAM fällt das Urteil mit 28 respektive 13 Punkten weit unterdurchschnittlich aus. Vergleicht man die Konzerne mit den jeweils 100 höchs- ten Bewertungen, so ergeben sich insgesamt 235 ver- schiedene Namen. Lediglich elf Konzerne finden sich bei allen drei Agenturen unter den Top 100 wieder. Bernd Deeken, Berenberg: „Kleinere Unternehmen werden beim ESG-Rating häufig benachteiligt.“ Michael Viehmann, Sauren: „Wir gehen einen vollkommen anderen Weg als herkömmliche ESG-Ratingagenturen.“ Nachhaltig? Ja … Nein … Vielleicht! Die ESG-Beurteilungen verschiedener Ratinganbieter von Unternehmen der Autobranche im Vergleich Keineswegs nur bei Unternehmen des Automobilsektors unterscheiden sich die Urteile verschiedener Rating- agenturen in Bezug auf deren Nachhaltigkeit. Quelle: Flossbach von Storch Research Institute 0 Punkte 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Tesla, Inc. General Motors Co. Porsche Automobil Holding SE Volkswagen AG MSCI ESG Sustainalytics RobecoSAM Foto: © Berenberg, Sauren 360 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I esg-ratingagenturen

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