FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

zahlen sehr gut ab, zum Beispiel aufgrund einer vorhandenen und auf dem Papier detaillierten ESG-Politik. Regelrecht komplett wird die Verwir- rung im Datenpool der Ratinganbieter aber durch die Tatsache, dass die Korre- lation zwischen ESG-Ratings vergleichs- weise gering ist. „Untersuchungen zeigen, dass die Korrelation zwischen den ESG- Bewertungen verschiedener Ratingagen- turen bei nur 0,3 liegen kann“, so NN- Experte Bos. In diese Kritik stimmt Bernd Deeken mit ein, als Portfoliomanager im Aktienfondsmanagement von Berenberg verantwortlich für Spezialmandate mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit: „Wenn man sich zum Beispiel einmal die Ratings der Top-3-ESG-Anbieter für das gleiche Unternehmen anschaut, dann liegt deren Korrelation im Durchschnitt bei etwas über 0,5. Bei Credit-Ratings liegt er typi- scherweise bei 0,99, was nahezu einer vollständigen Korrelation entspricht.“ Deshalb würden er und seine Kollegen niemals eine Firma nur wegen deren ESG-Rating kaufen. Kleine Firmen benachteiligt Deeken bemängelt zudem, dass kleine- re Unternehmen häufig ein schlechteres Rating erhalten, weil ihnen die Ressour- cen fehlen, um die über die Fragebögen der Ratingagenturen geforderten Informa- tionen und Dokumentationen zu liefern. „Das führt häufig dazu, dass die Nach- haltigkeit von kleineren Unternehmen erheblich unterschätzt wird“, so Deeken. So bestehe die Gefahr, dass ein Portfolio, das nur auf der Grundlage von ESG- Ratings aufgestellt werde, vor allem aus Large Caps bestehe, die maßgeblich aus Europa kommen und im Schnitt über ein schwächeres Wachstum verfügen. Auch Jeroen Bos weist darauf hin, dass ESG-Ratings oft eine Art Größen-Bias erkennen lassen. „Grö- ßere Unternehmen schneiden im Durchschnitt besser ab“, so der ESG-Spezialist. „Das ist bei unseremAnsatz nicht der Fall“, entgegnet Axel Hesse, Gründer und Gesell- schafter des Beratungshauses SD-M aus Frankfurt. Hesse beschäftigt sich schon seit Mitte der 1990er-Jahre mit nachhaltigen Investments. Sein Unternehmen gehört zwar nicht zu den Riesen im Bereich der Rating- agenturen, hat aber eine durchaus andere Herangehensweise an das ESG-Thema gefun- den. „Insbesondere institutionelle Investoren erwarten, dass die Integration von Nach- haltigkeitsaspekten in ihre Anlageprozesse langfristig eine Outperformance erbringt“, so Hesse. Seine Datenbank, die rund 6.000 Unter- nehmen abdeckt, basiert auf den von ihm entwickelten „Sustainable Development Key Performance Indicators“, abgekürzt SD-KPIs. Das sind die drei relevantesten Nachhaltigkeitsindikatoren für die erwar- tete Geschäftsentwicklung von Firmen in verschiedenen Branchen. „Dabei haben mittelgroße Unternehmen im Durchschnitt sogar einen etwas besseren Score als größere“, so Hesse. „Das liegt daran, dass mittelgroße Unternehmen ihre Kernher- ausforderungen häufig besser managen als große, aber in der Tat keine Kapazitäten haben, sehr breit über nicht wesentliche Nachhaltigkeitsthemen zu berichten.“ Eigenes System Auch der Kölner Dachfondsspezialist Eckhard Sauren hat mit seinem Team ein eigenes System zur Berücksichtigung von ESG-Aspekten entwickelt, das sich Sauren ESG-Scoring nennt (siehe Kas- ten). „Wir gehen damit einen vollkommen anderen Weg als die herkömmlichen ESG-Ratingagenturen“, erklärt Michael Viehmann, einer der Vorstände von Sau- ren Fonds-Research, den neuen Ansatz. „Unsere systematische Bewertung nach- haltiger Investmententscheidungen und die Beurteilung der Nachhaltigkeitspro- zesse, die ein Fondsmanager installiert hat, fügen sich nahtlos in die bewährte qualitative Fondsmanageranalyse unseres Hauses ein.“ HANS HEUSER | FP » Insbesondere institutionelle Investoren erwarten, dass die Integration von Nach- haltigkeitsaspekten in ihre Anlageprozesse langfristig eine Outperformance erbringt. « Axel Hesse, SD-M Sauren ESG-Scoring Das Sauren ESG-Scoring stellt die Entscheidungs- und Investmentprozesse der Fondsmanager in den Mittel- punkt der Analyse. Diese werden danach bewertet, welche Bedeutung Nachhaltig- keitsaspekte beim Management des jeweiligen Fondsportfolios einneh- men. Der Ansatz hat insofern nicht die Funktion eines Qualitätssiegels. Das dahinterstehende Prozedere ist vielmehr ein Messverfahren und hat das Ziel zu analysieren, in wel- cher Intensität ESG-Aspekte bei dem jeweiligen Fonds berücksichtigt wer- den. Positive Werte zeigen, dass Nach- haltigkeitsaspekte im Anlageprozess des Ziel- fondsmanagers Berücksichtigung finden. Das reicht von einem einfachen Ausschlussverfahren über regelmäßige Analysen der Unternehmen hinsichtlich der ESG-Faktoren bis hin zu Dialog und Interaktion mit dem Management oder sogar aktivem Engagement mit dem Ziel der Veränderung auf Unternehmensebe- ne. Fondsmanager, bei denen Nach- haltigkeitsaspekte keine nennens- werte Berücksichtigung im Anlage- prozess finden und deren Portfolio keine Auffälligkeiten gegenüber einem typischen passiven Invest- ment wie beispielsweise dem MSCI World Index aufweist, erhalten beim Sauren ESG-Scoring einen neu- tralen Wert von null. Negative Scoring- Werte bedeuten typischerweise, dass das Zielportfolio eine Häufung von als zweifelhaft bis kritisch angesehenen Investments aufweist. Foto: © SD-M GmbH Axel Hesse, SD-M: „Bei unserem Bewertungsansatz werden kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligt.“ 362 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 esg-spezial I esg-ratingagenturen

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