FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

Foto: © ING Pressebild G emessen an der Zahl der Kunden ist die ING mit über neun Millio- nen Kunden Deutschlands größte Direktbank. Das Schwergewicht der Branche, das sich bisher im Retailgeschäft auf Baufinanzierungen, Giro- und Spar- konten fokussiert hat, steigt jetzt in die Wertpapierberatung ein. „Wir wollen unseren Sparkunden dabei helfen, Anle- ger zu werden“, sagt Daniel Llano Mani- bardo, Privatkundenvorstand der ING in Deutschland. Der gebürtige Spanier, der An- fang des Jahres vom Generalbevollmächtigten in den Vorstand aufrückte, hat bereits die Test- phase eingeleitet. Der offizielle Start soll noch im zweiten Halbjahr 2020 erfolgen. Niedrigzins Die Bank, die vor allem durch das Extra- konto – ein Tagesgeldkonto, das im Marktver- gleich relativ hohe Zinsen bot – bekannt wur- de, muss umdenken. Hohe Anlagesummen auf den Geldmarktkonten bringen bei einem aktuellen Zinssatz von 0,001 Prozent weder dem Kunden noch der Bank etwas. „Die ING ist traditionell im Bereich Einlagengeschäft stark, allerdings leiden die Margen durch die lang anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB“, sagt Klaus Fleischer, Professor für Finanz- und Bankwirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München, der sich seit mehreren Jahren intensiv mit der Strategie von Direktbanken befasst. Zudem bestehe im Direktbankensektor mit der DKB Bank sowie neuen Marktteilnehmern wie N26 ein starker Wettbewerb. Laut dem Bankexperten müsse es jetzt darum gehen, vorhandenes und neues Kun- denpotenzial mittels Cross-Selling zu sichern. Dafür bietet sich das Wertpapiergeschäft an, das in den letzten Jahren von einer anhalten- den Kursrally profitiert hat – zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie. Dass nicht mehr jeder etablierte Spieler im Beratungsgeschäft mitwirkt, kann dabei von Vorteil sein. „Bedingt durch die regulatorisch hohen Anforderungen in Gestalt von Mifid I und II ziehen sich Sparkassen und Volksban- ken in der Fläche aus der Wertpapierberatung zurück. Die entstandene Lücke möchte jetzt die ING nutzen“, erläutert Fleischer. Einfache Produkte ImWertpapierbereich bietet das Institut bis- lang lediglich ein Depot für Selbstentscheider an. Außerdem kooperiert die deutsche Tochter der niederländischen ING-Gruppe seit gut zwei Jahren mit dem Online-Vermögensver- walter Scalable. Für diese Zusammenarbeit wird auch kräftig Werbung gemacht: So gab es für Kunden, die bis Ende April dieses Jah- res 100.000 Euro oder mehr auf ihr Anlage- konto eingezahlt haben, eine Prämie von 500 Euro. Einzige Voraussetzung war, dass die Summe mindestens vier Monate investiert bleiben musste. Mit dem Einstieg in die Wertpapier- beratung möchte die Direktbank jetzt noch mehr Kunden zu Anlegern machen. Und dies erreicht man natürlich am bes- ten mit einer fundierten Beratung von Mensch zu Mensch, wobei der persönli- che Kontakt am Schreibtisch vorerst noch nicht geplant ist. „Die Beratung soll digi- tal oder bei Bedarf persönlich am Telefon beziehungsweise per Video mit einem Berater erfolgen“, erläutert Llano Manibardo (siehe Interview Seite 376). Mit einer über- sichtlichen Produktpalette will die ING mög- lichst viele Kunden ansprechen. „Dafür brau- chen wir sehr einfache Produkte, die wir un- seren Kunden gut erklären können und die zu ihren Bedürfnissen passen“, so der Bankvor- stand. Zu Einzelaktien soll nicht beraten wer- den, im Vordergrund stehen Fonds und ETFs. Mit wie vielen Anlageberatern das Institut beginnen möchte, wird noch nicht verraten. Wenig erfolgreich Mit der Comdirect hatte bereits eine andere Direktbank versucht, ihre Kunden zu Wertpa- Online-Broker gibt es viele, doch die wenigsten Direktbanken bieten ihren Kunden eine echte Wertpapierberatung an. Jetzt wagt die ING diesen Schritt. Aus Sparern Anleger machen Die ING – hier eine Mitarbeiterin der Bank in der Frankfurter Deutschlandzentrale des Instituts – hat Erfahrung mit telefonischer Beratung. Die soll künftig auch zu Wertpapieren erfolgen. » Bedingt durch die regulatorisch hohen Anforderungen ziehen sich Sparkassen und Volksbanken in der Fläche aus der Wertpapierberatung zurück. Die entstandene Lücke möchte jetzt die ING nutzen. « Klaus Fleischer, Hochschule München 372 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 bank & fonds I direktbanken

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