FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2020

auf das Thema Preis reduziert. Anleger müssen sich aber auch über die Risiken von passiven Investments im Klaren sein. Außerdem taucht in der gesamten Diskus- sion ein bedeutender Aspekt in der Regel noch viel zu selten auf: Das ist das Thema Shareholder Engagement, das im Prinzip nur der aktive Aktionär betreibt.Hier klafft immer noch eine große Lücke in der Debatte, denn wir sind davon überzeugt, dass Engagement eines der zentralen Wert- schöpfungselemente des aktiven Invest- mentmanagers ist und damit entscheidend dafür, den langfristigen Wert eines Invest- ments für Investoren zu steigern. Was sind Ihre Bedenken, wenn Sie von Risiken passiver Investments sprechen? Anleger müssen sich einfach im Klaren darüber sein, worin sie da eigentlich inves- tieren. Die meisten Anleger, die in einen ETF auf einen Standardindex wie den S&P 500 investieren, suchen in erster Linie ein Investment in Qualitätswerte. Investoren ist aber oft nicht bewusst, dass sich die Ge- wichtung bestimmter Einzelwerte und Branchen im Zeitverlauf erheblich ändern kann, weil sich die Marktkapitalisierung von einzelnen Aktien verändert. Selbst ein marktbreiter Index wie der S&P 500 ist inzwischen eine Art Growth-Index gewor- den, weil er von den großen Wachstums- werten dominiert wird. Im Index machen Technologieaktien und Gesundheitswerte inzwischen 40 Prozent, wenn nicht sogar 45 Prozent aus. Es könnte aber durchaus sein, dass eher die klassischen zyklischen Werte von einer dauerhaften wirtschaftli- chen Erholung profitieren werden, sobald ein verlässlicher Corona-Impfstoff oder eine wirksame Medizin gefunden sein wird. Beimangesprochenen Thema Shareholder Engagement geht es heute unter anderem um die nicht mehr zu vernachlässigende Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Auswahl von Wertpapieren. Wo steht Ihr Unternehmen in dieser Hinsicht? Ohne überheblich erscheinen zu wollen, sind wir in dieser Beziehung erheblich wei- ter als der Branchendurchschnitt. Ich wür- de sogar sagen, dass wir einer der Vorreiter in Bezug auf die Integration solcher Fak- toren in unsere Investmentprozesse sind. Unsere Gesellschaft hat bereits ab den frü- hen 1940er-Jahren etwas angewendet, das wir damals als „Vermeidungs-Screening“ bezeichnet haben. Und schon 1989 haben wir unser Team für sozial verantwortliches Investieren installiert. Heute unterliegen unsere Investmententscheidungen zu 100 Prozent zumindest einem „ESG-Bewusst- sein“, bei 60 Prozent unserer Fonds sind entsprechende Kriterien fest in deren Investmentprozess integriert. Noch ein Blick auf die Kapitalmärkte: Was unterscheidet die aktuelle Entwicklung aus Ihrer Sicht von früheren Krisen? Wir waren uns schon sehr früh im Klaren darüber, dass die Auswirkungen der Rezes- sion, wie sie sich Anfang März ankündigte, vollkommen andere sein würden als jene früherer Wirtschaftskrisen. Diesmal hat es die kleineren Unternehmen viel härter getroffen als die großen Player. Das macht den bedeutendsten Unterschied aus im Vergleich zu einer Technologieblase, die 2000 geplatzt ist, oder einer Immobilien- krise, gefolgt von der Finanzkrise 2008. Große Unternehmen sind gerade deshalb besser durch die aktuelle Krise gekommen, weil sie von Anfang an in einer günstige- ren Position waren hinsichtlich ihrer finan- ziellen Ressourcen, aber auch weil sie den besseren und einfacheren Zugang zu den Kapitalmärkten haben. Das hat sich in einer insgesamt wesentlich besseren Per- formance vieler großkapitalisierter Unter- nehmen durchaus bemerkbar gemacht. Worauf müssen sich Anleger im weiteren Verlauf bis zum Jahresende einstellen? » Manches deutet darauf hin, dass die Anleger sich in den nächsten Wochen gegen Volatilität absichern wollen. « Joe Amato, Neuberger Berman MARKT & STRATEGIE Joe Amato | Neuberger Berman FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH 158 fondsprofessionell.de 3/2020

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