FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020
hat ziehen können. „Je nachdem, wo die Fonds investiert waren, kann sich die steuerrechtliche Seite unterschiedlich lang hinziehen“, sagt Oliver Weinrich, Vorstand der Drescher & Cie. Immo Consult und Autor einer Studie, die die Abwicklung offener Immobilienfonds von 2012 bis 2017 begleitet hat. „Bis Sie nach dem Ab- verkauf zum Beispiel einer US-Immobilie einen rechtsverbindlichen und abschließen- den Steuerbescheid bekommen, können schon mal zehn Jahre vergehen“, präzisiert er. Bei deutschen Liegenschaften ist in der Regel bereits nach fünf bis sechs Jahren ein abschließender Bescheid erhältlich. Der TMW Weltfonds hat seine letzte Immobilie, das Bürogebäude „Europoint III“ in Rotterdam, Ende Dezember 2016 verkauft. Gemäß einer spezifischen Länder- übersicht, die die Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft KPMG für FONDS professio- nell erstellt hat,muss man bei Immobilien- verkäufen in den Niederlanden noch wäh- rend der fünf folgenden Geschäftsjahre mit möglichen Steuernachzahlungen rechnen. Der Abwicklungsbericht des Weltfonds trifft im Gegensatz zu den meisten ande- ren Fonds keine Prognose bezüglich einer finalen Auflösung. Aber angesichts der behördlichen Fristen ist damit kaum vor 2022 zu rechnen. Risikopositionen Catella hat aus dem Fonds Focus Nordic Cities erst im Februar dieses Jahres das letz- te Objekt in Finnland veräußert. Gemäß KPMG wird er aus Gründen möglicher Steuernachforderungen noch mindestens sieben daran anschließende Geschäftsjahre eine Risikoposition vorhalten müssen. Vor dem Jahr 2028 sollte man also auch bei diesem Fonds von keiner endgültigen Auf- lösung ausgehen. Außer dem Risiko von Steuernachforde- rungen gibt es noch eine ganze Reihe wei- terer Gründe, weshalb auch nach dem Ver- kauf der letzten Immobilie noch einige Jahre ins Land gehen können: Betriebskos- tenabrechnungen, die erst mit einigem Nachlauf vorliegen,müssen anerkannt wer- den. Auch Gewährleistungs- und Haftungs- fristen und die Fristen eventuell gesondert gegebener Garantien müssen abgelaufen sein. Wird eine Immobilie, um Grunder- werbsteuer zu vermeiden, in einem Share Deal verkauft, müssen mindestens fünf Prozent beim Verkäufer verbleiben, und zwar mindestens fünf Jahre lang. Bei allen noch offenen Vorgängen sind auch Rechts- streitigkeiten nicht auszuschließen. Für der- gleichen Eventualverbindlichkeiten müssen die Fonds Liquidität vorhalten. Auf einen weiteren Aspekt, der zu Verzö- gerungen bei den endgültigen Abwicklun- gen beitragen könnte, macht Fondsana- lystin Sonja Knorr von der Ratingagentur Scope aufmerksam: „Es besteht natürlich nach wie vor ein klassischer Interessenkon- flikt, denn Verwaltungsgebühren fallen wei- terhin an und können nur so lange verein- nahmt werden, so lange der Fonds noch nicht aufgelöst ist.“Die Gebühren liegen in einigen Fällen deutlich über einem Prozent pro Jahr, bezogen auf das durchschnittliche Fondsvermögen. Weil offene Immobilienfonds imGegen- satz beispielsweise zu Beteiligungsmodellen bereits ausgezahlte Liquidität von den An- legern nicht wieder zurückfordern können, müssen sie eine konservative Risikoabwä- gung und Liquiditätsplanung vornehmen, um sicherzustellen, nicht zahlungsunfähig zu werden. Entsprechend der fortlaufenden Risikoeinschätzung durch die Fondsverwal- tung ändern sich die noch benötigten Zeit- räume und die Höhe der nötigen Liquidi- tät. Nicht mehr zur Risikoabdeckung be- nötigte Liquidität wird sukzessive an die Anleger ausgeschüttet. Erfolge und Misserfolge Was die einst offenen Immobilienfonds seit Beginn ihrer Abwicklung auszahlen konnten, hängt jedoch wesentlich vommit dem Verkauf der Immobilien erzielten Erlös ab. Als Daumenregel kann gelten: Je später der Fonds aufgelegt wurde, umso eher haben sie vergleichsweise teuer ein- gekauft oder haben Klumpenrisiken, weil sie noch im Aufbau des Portfolios begrif- fen waren. Der Morgan Stanley P2 Value und der TMW Weltfonds wurden 2005 aufgelegt, ebenso der Degi Global Business, also ver- gleichsweise spät und in einer Phase stei- gender Preise. Sie mussten ihr Portfolio auf- bauen, als Immobilien weltweit immer teu- rer wurden. Nach ihrer Schließung waren sie dann gezwungen, in wieder fallenden Märkten zu verkaufen. Ihr prozyklisches Ti- ming hat die ohnehin schwierige Lage, in der sie sich befanden, noch verstärkt. Diese drei Fonds haben seit ihrer Schließung etwa 50 Prozent ihres Werts verloren. Fonds, die demgegenüber bereits sehr lang liefen, bevor sie keine Anteile mehr zurücknehmen konnten, hatten schon mehrere Zyklen durchlaufen und konnten » Bis Sie einen rechtsverbindlichen Steuerbescheid bekommen, können schon mal zehn Jahre vergehen. « Oliver Weinrich, Drescher & Cie. SACHWERTE Offene Immobilienfonds 196 fondsprofessionell.de 4/2020 FOTO: © DRESCHER & CIE.
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