FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

Ganz so leicht wie in diesem fiktiven Beispiel machen es sich die Versi- cherer nicht, wenn sie berechtigte Ansprüche abzuweisen versuchen. Manche Anbieter werden durchaus kreativ, um nicht zahlen zu müssen. Gekürzt, vertagt, abgelehnt Der Versicherer müsste zahlen, tut es aber nicht: Ungerechtfertigte Leistungskürzungen bescheren Maklern viel unnötige Arbeit. Ein Fachanwalt hat eine Idee, wie dem Ärgernis beizukommen wäre. M ichael Otto, Makler aus Isernhagen, ärgert sich: „Wie die Versicherer Schadengewinne generieren, darüber könnte ich ein Buch schreiben!“ Als erster Stellvertreter des Vorsitzenden ist er in der Interessengemeinschaft Deutscher Versiche- rungsmakler (IGVM) für Rechtsthemen zuständig und auch sonst als streitbarer Geist im Interesse seiner Kunden und Maklerkollegen bekannt. Während die Versicherer bei neuen Pro- dukten gern mit mehr Leistung und besse- rer Regulierung werben, erleben Kunden und deren Berater mitunter selbst bei glas- klaren Fällen oft das Gegenteil: Berechtigte Schadenzahlungen an Kunden werden ver- zögert, Leistungen gekürzt oder zunächst ganz verweigert. Otto wundert sich immer wieder, welch simple Ausreden die Versi- cherer teils bemühen. Da würden weitere Unterlagen benötigt, der Sachbearbeiter sei krank oder auf Urlaub – oder die Zahlung falle „versehentlich“ zu gering aus. „Leis- tungszahlungen werden systematisch verzö- gert, verschleppt und verweigert“, meint auch Jürgen Hennemann. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht kennt Dutzende Fäl- le, er vertritt Verbraucher dabei, Ansprüche gegen Versicherer geltend zu machen. Mehrwertsteuer gespart „Aktuell an erster Stelle ungerechtfertig- ter Leistungskürzungen im Schadenfall steht wohl die Problematik der Mehrwert- steuererstattung“, berichtet Otto, der schon seit 1985 als Makler arbeitet. Gemeint ist: Auch wenn der Kunde gar nicht vorsteuer- berechtigt ist und ihm somit die Entschä- digungssumme samt Mehrwertsteuer zu- steht, streichen manche Versicherer diesen Posten erst einmal. So auch im Fall eines Fahrraddiebstahls, der von der Hausrat- versicherung abgedeckt war. Die Concordia zahlte zunächst gar nichts, weil der Kunde kein neues Fahrrad kaufen wollte. Makler Otto reklamierte, denn die „Allgemeinen Versicherungs- bedingungen“ (AVB) sehen keine Verpflich- tung zumNeukauf vor. So urteilte kürzlich auch das Landgericht Hamburg (Az.: 314 O 109/18).Daraufhin zahlte die Concordia, wollte aber nicht den vollen Wiederbe- schaffungswert von 840 Euro erstatten, son- dern 19 Prozent weniger. Die AVB geben diese Kürzung nicht her. Dort heißt es sinngemäß: Die Mehrwertsteuer wird nicht ersetzt, wenn der Kunde anlässlich der Wiederbeschaffung tatsächlich keine Mehr- wertsteuer bezahlt hat. Der Kunde wollte aber gar kein neues Fahrrad kaufen. Den- noch beharrte der Versicherer auf Einbe- halt der vollen Mehrwertsteuer. Erst als man sich an einen Tisch setzte, zahlte die Concordia auch den Restbetrag – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. » Manche Versicherer beschäftigen Firmen, deren einzige Aufgabe darin besteht, sich logisch erscheinende Ablehnungsbegründun- gen für Schadenfälle auszudenken. « Ein Anwalt, der anonym bleiben möchte FONDS & VERSICHERUNG Schadenregulierung FOTO: © 4MAX | STOCK.ADOBE.COM, MICHAEL OTTO 250 fondsprofessionell.de 4/2020

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=