FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

„Ich halte die Befreiung von der Weiter- bildungspflicht allerdings nicht für richtig“, kritisiert Lüger. Zwar würden diese Ver- mittler nur einige Arten von Policen ver- treiben, dennoch sollten sie zumindest zu diesen Produkten ihre Fachkenntnisse auf dem Laufenden halten, findet der Experte. In der Praxis werden sie umWeiterbildungs- maßnahmen auch kaum herumkommen. Denn Versicherungsunternehmen dürfen mit den „Nebenbei-Vermittlern“ nur dann zusammenarbeiten, wenn auch sie pro Jahr ein gewisses Lernpensum absolvieren. 15 Stunden muss es nicht umfassen. Doch wie viel Zeit tatsächlich investiert werden muss, lassen die FAQs offen. „Das ist dann Interpretationssache“, bemängelt Lüger. Klar ist auf jeden Fall, dass Mitarbeiter von Vermittlern, die kei- nen direkten Bezug zum Vertrieb haben, zum Beispiel in der Buchhaltung tätig sind oder im Backoffice Termine vereinbaren, keine Weiterbildungspflicht trifft. Chefs hingegen müssen grundsätzlich auf die Schulbank. Unter Umständen haben sie aber die Möglichkeit, „sich zu drücken“. Firmiert ein Vermittler als juristi- sche Person, trifft die Weiterbildungspflicht auch den gesetzlichen Vertreter, etwa den Geschäftsführer oder den Vorstand. Ist er jedoch in der Vermittlung oder Beratung selbst gar nicht aktiv, so kann er seine Pflicht an Angestellte delegieren, die in die- sen Bereichen arbeiten. Ist der Gewerbetrei- bende eine natürliche Person, etwa ein Ein- zelunternehmer oder ein eingetragener Kaufmann, darf er seine Weiterbildungs- pflicht ebenfalls Mitarbeitern übertragen, wenn er selbst weder Versicherungen ver- mittelt noch dazu berät. Zudem darf er in der Leitung des Gewerbebetriebs für diese Tätigkeiten auch nicht verantwortlich sein. Eine Delegation wird bei kleinen Vermitt- lern daher eher selten möglich sein. Welche Inhalte zählen? Eine sehr wichtige Frage ist natürlich auch, welche Inhalte eine Schulung denn haben muss, damit sie als Weiterbildung anerkannt wird.Das ist entscheidend, denn wenn ein Vermittler Veranstaltungen be- sucht, die für eine Anerkennung nicht ge- eignet sind, fehlen ihm zum Jahresende Stunden. „Prüft die zuständige IHK in einer Stichprobenkontrolle und ermittelt weniger als 15 Stunden, droht ein Buß- geld“, sagt Frank Rottenbacher, Vorstand des Vermittlerverbandes AfW und des Bil- dungsanbieters Going Public. „Bei 79 IHKen ist es gut, dass Vermittler hinsichtlich der Inhalte von Weiterbil- dungsveranstaltungen nun einheitliche Vor- gaben haben“, findet Rottenbacher. Fest steht, dass alle Inhalte, die unter die Anlage 1 der VersVermV fallen, anzuerkennen sind. Dort sind sämtliche Themen aufge- führt, die bereits für die Sachkundeprüfung relevant sind. Die Liste ist jedoch nicht ab- schließend. „Es können auch andere Inhal- te als Weiterbildung anerkannt werden, sofern sie einen Bezug zur Versicherungs- vermittlung oder -beratung aufweisen“, erklärt Rottenbacher. So zählen auch Veranstaltungen zu Ver- sicherungsprodukten als Weiterbildungs- maßnahme, solange es sich dabei nicht um reine Verkaufs- oder Werbeevents handelt. Nicht angerechnet werden hingegen Semi- nare zu Unternehmens- oder Mitarbeiter- führung, Umsatzplanung oder Motiva- tionstrainings. „Auf den Punkt gebracht, muss eine Schulung einen unmittelbaren Nutzen für den Versicherungsnehmer ha- ben, um als anrechenbare Weiterbildung durchzugehen“, erläutert Rottenbacher. Keine Anbieterliste Etwas schwieriger ist für Vermittler und Berater schon festzustellen, wo sie als Wei- terbildungsmaßnahme geeignete Veranstal- tungen finden können. „Es gibt keine Liste staatlich anerkannter oder zertifizierter Anbieter“, heißt es unter Punkt acht der FAQs. Weiterbildungen müssen allerdings bestimmten Anforderungen entsprechen, die in der Anlage 3 der VersVermV geregelt sind. So muss eine Veranstaltung etwa mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf geplant und in nachvollziehbarer Form für die Teil- nehmer beschrieben werden. „Ganz wichtig ist auch, dass Vermittler zu einer Weiterbildung eingeladen werden“, sagt Rottenbacher. „Mit diesen Anforde- rungen soll verhindert werden, dass sich Frank Rottenbacher, Going Public/AfW: „Es ist gut, dass Vermittler für die Inhalte von Weiterbildungs- veranstaltungen nun einheitliche Vorgaben haben.“ Reinhardt Lüger, 3L-Consult: „Auch wer erst am 1. Dezember eines Jahres seine Tätigkeit aufnimmt, muss bis Silvester das volle Programm nachweisen.“ FONDS & VERSICHERUNG Weiterbildung FOTO: © GOING PUBLIC; 3L-CONSULT 256 fondsprofessionell.de 4/2020

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