FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020
habe bereits im Jahr 2006 die Studie einer US-Psychologin gezeigt, eine Untersuchung der Allianz kam später zu ähnlichen Ergeb- nissen. „In beiden Fällen wurde klar, dass Männer mit Geld Macht und Kontrolle verbinden“, sagt Kewenig. Frauen hingegen diene es in erster Linie dazu, unabhängig zu leben. Sie definierten sich nicht so stark über die eigenen Finanzen wie Männer. „Die unterschiedlichen Grundhaltungen bringen es mit sich, dass Frauen und Män- ner sich in der Finanzberatung verschieden verhalten“, erläutert Kewenig. So ließen sich Anlegerinnen etwa weit weniger von ho- hen Renditeversprechen locken als männ- liche Kunden. „Sie wollen vielmehr verste- hen, wie die in Aussicht gestellte Rendite denn erzielt werden soll, wie ein Produkt funktioniert und wo die Risiken liegen“, so Kewenig. Daher fragen sie öfter nach und fordern zusätzliche Erläuterungen ein. Keine Entschuldigungen Zudem spielt die Beziehungsebene für Frauen eine wichtigere Rolle. Sie wollen da abgeholt werden, wo sie stehen. „Sie möch- ten nicht das Gefühl haben, sich zu ent- schuldigen zu müssen, wenn sie weniger verdienen, weil sie sich vielleicht um die Kinder kümmern“, sagt Kewenig. In einer Finanzberatung sollen solche Aspekte ganz selbstver- ständlich anerkannt werden. Augenhöhe, das wünschen sich Anlegerinnen. Können Männer das leisten? „Ich denke schon, dass sie Kun- dinnen auch gut beraten kön- nen“, sagt Veronika Lammer, Retail Research Managerin bei der Raiffeisen Bank Internatio- nal (RBI) in Wien. Allerdings müssten sie sich die Zeit neh- men, um auf Fragen wirklich in Ruhe einzugehen. So einfach ist die Sache nicht, findet hingegen Mecht- hild Upgang, Finanzberaterin aus Bonn. „Ich habe mich vor 30 Jahren auf die Finanzberatung für Frauen spezialisiert und seitdem hat sich einiges verbessert“, sagt sie. Tatsächlich kämen heute gerade junge Frauen zu ihr, die sich zuvor im Internet selbst gut informiert haben und wissen, was etwa ein ETF ist. „Was sich aber nicht verändert hat, ist, dass Frauen weniger verdienen und ihre Berufs- und Lebensplanung anders aussieht als die von Männern“, erklärt Upgang. Frauen unterbrechen ihre berufliche Lauf- bahn auch heute noch öfter und länger, um Elternzeit zu nehmen und später in Teilzeit zu arbeiten, damit sie sich um die Kinder kümmern können. Auch im Fall einer Trennung bleibt der Nachwuchs häufiger bei den Müttern, die dann oft nicht voll berufstätig sein können. Andere Lebensplanung „Solche Erwerbsunterbrechungen und entsprechend geringere Rentenansprüche müssen in der Anlageberatung berücksich- tigt werden“, sagt Upgang. Das sei männ- lichen Finanzprofis aufgrund ihrer anderen Lebensrealität oft aber nicht bewusst. „Für einen jungen Finanzberater ist die durchgän- gige Erwerbsbiografie in der Regel die Normalität“, so Up- gang. Beraterinnen hingegen wüssten, oft auch aus eigener Erfahrung, dass die berufliche Laufbahn von Frauen meist nicht ohne Unterbrechungen verläuft, sie seien für dieses Thema sensibilisiert und wür- den es daher einbeziehen. Nicht zuletzt habe auch das in Deutschland noch immer vorherrschende Provisions- modell einen Anteil daran, dass Frauen häufig nicht die richtigen Finanzprodukte ver- mittelt werden. „Wenn ein Be- rater einen Jungakademiker Vorsorgende Männer „Welchen Betrag sparen Sie durchschnittlich im Monat?“* Männer sparen mehr: Jeder dritte legt über 200 Euro pro Monat beiseite. Bei den Frauen kommt nur jede fünfte auf einen derart hohen Betrag. *Umfrageunter1.021Bundesbürgernab18Jahren imApril2019 |Quelle:Bankenverband/KantarTNS 0% 5% 10% 15% 20% Über 500 Euro 201–500 Euro 101–200 Euro 51–100 Euro 21–51 Euro 0–20 Euro Spare nie Frauen Männer 21 % 8 % 8 % 20 % 4 % » Jungen Frauen mit einer guten Ausbildung, die gern in der Finanzberatung für Frauen Fuß fassen möchten, stehen derzeit alle Türen offen. « Mechthild Upgang, Finanzberatung Dr. Upgang VERTRIEB & PRAXIS Finanzberatung für Frauen FOTO: © DR. UPGANG FINANZBERATUNG 304 fondsprofessionell.de 4/2020
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