FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

Eine Übernahme kann aber auch Zeit und Ressourcen binden. Ja. Was sich an der Oberfläche abspielt, ist das eine. Entscheidend ist aber, was im Maschinenraum abläuft.Wenn dort Unfäl- le passieren, bekommen dies die Kunden letztlich zu spüren. Wenn etwa infolge einer Integration die Buchhaltung nicht funktioniert, schreckt dies die Kunden ab, auch wenn vielleicht hervorragende neue Strategien ins Haus geholt wurden. Wir achten daher genau darauf, welche Vorteile eine Übernahme bringt – für beide Seiten. Daneben verändert die Digitalisierung die Branche. Hat die Covid-19-Pandemie die Entwicklung forciert? Corona war ein Brandbeschleuniger für die Digitalisierung. Auch wenn der persön- liche Kontakt nie ganz ersetzt werden kann und die eine oder andere angestoßene Veränderung sicher auch wieder zurückge- dreht werden wird: Die Pandemie hat eine katalysatorische Wirkung.Wir haben schon vor Covid-19 mit Vertriebspartnern zusam- men Digitalisierungsinitiativen angestoßen, etwa die Digitalisierung der Abschluss- strecke für unsere Vermögensverwaltung „Aktiv-Depot“ zusammen mit der Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG. Dieses hilft, Endkunden online zu betreuen. Oder eine digitale Vermögensanlagelösung zusam- men mit der Commerzbank. Und wir bie- ten mit Risklab einen Portfolio-Risiko- check für institutionelle Investoren an. Schlagen Asset Manager mit der Digitali- sierung denWeg zumDirektvertrieb an die Endkunden ein? Die Selbstentscheider stellen nur einen klei- nen Teil der Kundschaft dar. Der Großteil der Anleger investiert nicht, ohne den Rat eines Experten hinzuzuziehen. Auch nach vorn schauend glaube ich, dass eine Selbst- anamnese ohne Konsultation eines Fach- manns für die meisten Privatanleger nicht der bevorzugte Weg ist.Geldanlage ist auch eine Vertrauensfrage. Ich glaube daher, dass der hybride Vertrieb obsiegen wird. Dennoch könnten die geringen Kosten rein digitaler Angebote das Interesse von Kun- den wecken. Die Asset-Management-Branche ist sehr reguliert und transparent, was die Vertriebs- kosten angeht. Beim Autokauf hingegen erfahre ich nicht, was der Zwischenhändler verdient. Entscheidend ist die Qualität des Vertriebs und ob er als echter Partner beim Thema Geldanlage wahrgenommen wird. Wenn ich im Beratungsgespräch keine gute Empfehlung gebe, dann kommt der Kun- de kein zweites Mal. Und ob ein Ratschlag gut war, stellt sich nicht erst nach fünf Jahren heraus. Die Geldanlage gilt wiederumnicht als The- ma, dem sich die Menschen gern widmen. Wir sind eine reiche und gesunde Gesell- schaft. Der Großteil der Bevölkerung nimmt aber kaum am unternehmerischen Erfolg teil. Dabei ermöglicht etwa der ältes- te deutsche Aktienfonds, der Fondak, seit nunmehr 70 Jahren, in Produktivkapital zu investieren. Wir werden die nächsten Jahr- zehnte mit dem Niedrigzinsumfeld leben müssen.Die fünf Prozent auf das Sparbuch kommen nie wieder. Wie will man da ohne Investments in Produktivkapital finanziell überleben? Ich finde es traurig, dass wir nicht mehr aus unserem Vermö- gen herausholen. Die Deutschen müssen verinnerlichen: Ihr Geld muss genauso hart arbeiten wie sie selbst. SEBASTIAN ERTINGER KURZ-VITA: Tobias Pross Nach dem Studium an den Universitäten in Lörrach, Freiburg im Breisgau sowie im kalifornischen Berkeley begann Tobias Pross 1999 seine Karriere im Allianz-Konzern. Er arbeitete bei Allianz Pension Partners und nahm später mehrere Führungspositionen bei Allianz Global Investors ein. Seit 2016 war Pross zudem Präsident des deutschen Fondsver- bandes BVI. Nachdem er Anfang 2020 an die Allianz-GI- Spitze rückte, kandidierte er nicht erneut für das BVI-Amt. FP » Die Asset-Manage- ment-Branche ist sehr transparent. Beim Auto- kauf erfahre ich nicht, was der Zwischen- händler verdient. « Tobias Pross, Allianz Global Investors VERTRIEB & PRAXIS Tobias Pross | Allianz Global Investors FOTO: © SEBASTIAN WIDMANN 318 fondsprofessionell.de 4/2020

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