FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

verlagern. Zudem werden die Kunden, gerade die jüngeren, immer onlineaffiner.“ Ein anderer Grund ist das Aufkommen neuer Player aus dem Feld der Direkt- banken und Insurtechs, die den etablierten Häusern die Kunden streitig machen wol- len.Hier hat die europäische Richtlinie für den Zahlungsverkehr (Payment Service Directive, PSD 2) die Spielregeln geändert. Das Regelwerk verpflichtet Banken dazu, sich gegenüber Drittanbietern zu öffnen – inklusive der Möglichkeit, dass Nutzer über die Apps Überweisungen tätigen und da- mit ihre Bankgeschäfte über eine andere Gesellschaft als ihre Hausbank erledigen können (siehe hierzu auch den Beitrag über Open Banking ab Seite 380). Financial Home Das ist insofern entscheidend, als dass diese neuen Anbieter mit dem Zugriff auf das Bankkonto die immens wichtige „Kun- denschnittstelle“ besetzen können. „Kun- den schauen wesentlich öfter auf ihr Konto als auf ihre Versicherungen“, betont Con- sultant Zimmermann.Wer seinen Kunden dann nicht nur einen Zugriff aufs Konto biete, sondern ein „Financial Home“ inklu- sive Versicherungen, der habe gute Chan- cen, zum Hauptansprechpartner des Kun- den in Finanzangelegenheiten zu werden oder zu bleiben – und so mehr Produkte zu vertreiben. Kein Wunder also, dass auch die Banken versuchen, eine solche Platt- form aufzubauen. Sie wollen das Feld nicht anderen überlassen, vor allem nicht dem Online-Giganten Check 24, der gerade ins Bankgeschäft vorstößt (siehe auch FONDS professionell 3/2020, Seite 408). Wohl auch daher haben einige Banken in den vergangenen Monaten digitale Ver- sicherungsordner oder -manager gestartet, die diesen „Financial Home“-Gedanken gut erfüllen: Kunden können bestehende Verträge in den Ordner hochladen und verwalten. Ferner geben die Tools unter Nutzung von Daten aus dem Girokonto personalisierte Empfehlungen für neue Policen. „Der Ordner ist der Einstieg ins Geschäft. Kunden geben auf diese Weise Daten frei, auf denen Banken für den Ver- trieb von Policen und anderen Produkten aufbauen können“, sagt Boris Strucken, Head of Banking Germany beim IT- und Dienstleistungsunternehmen Fidelity Infor- mation Services (FIS). Backoffice Die oben erwähnte PSD 2 sorgte neben dem Rechtsrahmen auch für einen neuen technischen Standard bei den Anwen- dungsschnittstellen (API) für die Daten- übertragung. Diesen sehen viele Experten als Treiber der Bancassurance 2.0. „APIs und Front-Ends gibt es aber schon länger. Wichtiger ist die Weiterentwicklung der IT für den Backoffice-Bereich“, betont dagegen Stefan Bachmann, Digitalvorstand beim Finanzdienstleister JDC.Die Unternehmen müssten in der Lage sein, die Abläufe im Hintergrund automatisch abzubilden, etwa Vertragswechsel oder Provisionszahlungen. „Das alles ist stark digitalisiert worden und hat den digitalen Versicherungsangeboten einen Schub gegeben“, sagt Bachmann.Der frühere Google-Manager schränkt aber ein, dass IT-Anbieter trotz des Fortschritts noch nicht alle Abläufe im Backoffice automati- sieren konnten. Das liege vor allem an der IT der Versicherer, mit denen die Systeme der Insurtechs „kommunizieren“ müssen. Er verweist auch darauf, dass es bei den Technikpartnern der Banken mit Blick auf die Digitalisierung große Unterschiede gibt. „Bei einigen Mitbewerbern gibt es Luft nach oben“, kritisiert er. Kooperationsmodelle In der Bancassurance 2.0 lassen sich wie in der Offline-Welt zwei Kooperationsmo- delle unterscheiden: Auf der einen Seite exklusive Partnerschaften, auf der anderen Seite die „offene Architektur“ und das Maklermodell, bei dem Banken Produkte verschiedener Versicherer anbieten.Hierbei kooperieren sie in aller Regel mit einem Insurtech. Entweder stellt das Insurtech die IT für die Beratungsstrecken, oder die Bank leitet direkt auf die Internetseite des Start- ups weiter. Letzteres ist in der Branche auch als Tippgebermodell bekannt. Aber auch bei Exklusivpartnerschaften sind Insurtechs mit von der Partie. Die Gründe für die jeweilige Koopera- tion sind strategischer Natur. „Möchte die Bank sich auf den digitalen Vertrieb der Produkte nur eines Versicherers konzen- trieren, oder setzt sie bewusst auf Auswahl- möglichkeiten über eine digitale Makler- lösung? Das ist die Hauptfrage, die die Institute beantworten müssen“, erläutert Accenture-Berater Zimmermann. Viele Banken haben im Filialbereich bereits einen festen Partner, was sie beachten müs- sen. „Mitunter ist die Kooperation über Jahrzehnte gewachsen. In solchen Fällen kann es geschehen, dass eine Bank aus Rücksicht auf diese Partnerschaft online » Kunden schauen wesentlich öfter auf ihr Konto als auf ihre Versicherungen. « Markus Zimmermann, Accenture fondsprofessionell.de 4/2020 397

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