FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020
Glow: Und eine solche Phase sehen Sie auch jetzt wieder auf wachstumsorientierte Investoren zukommen? Keppler: Durchaus! Schauen Sie sich doch nur die Bewertungen von Technologie- werten heutzutage an. Der Sektor Informa- tionstechnologie ist inzwischen im MSCI World Index mit einem Viertel der welt- weiten Marktkapitalisierung gewichtet. Da- mit ist diese Branche nach unseren Berech- nungen mittlerweile extrem überbewertet, konkret um 85 Prozent. Das heißt im Grunde nichts anderes, als dass wir bei den Technologiewerten heute tendenziell an ei- nem Punkt sind, wo wir 1989 mit japani- schen Aktien und 1980 mit dem Ölsektor waren. Heuser: Das klingt ja schon fast nach einer Warnung. Keppler: So ist es auch gemeint. Denn gera- de die gut gelaufenen Technologiewerte, al- len voran die sogenannten FAANG-Aktien, haben inzwischen schon so etwas wie astronomisch hohe Bewertungsrelationen erreicht. Immerhin verdienen Unterneh- men wie zum Beispiel Tesla noch Geld, wenn auch sehr wenig, bezogen auf den dafür notwendigen Kapitaleinsatz. Daher stehen viele dieser Unternehmen vor dem Problem, dass sie in Zukunft phänomenal hohe Gewinnwachstumsraten erzielen müssten, um auch künftig noch über- durchschnittliche Erträge erwirtschaften zu können.Nur ist die Wahrscheinlichkeit für ein so hohes Wachstum meines Erachtens inzwischen sehr gering geworden. Glow: Befinden sich Aktien dann Ihrer Meinung nach bereits in einer ernst zu nehmenden Blase? Keppler: Auch wenn einige Werte inzwi- schen schon extrem teuer geworden sind, können deren Kurse natürlich noch zwei Jahre oder sogar länger weiter nach oben laufen. Ich halte es aber für gefährlich, mehr oder weniger blind an einer Strategie festzuhalten, nur weil diese zugegebener- maßen in den vergangenen fünf oder sogar zehn Jahren durchaus erfolgreich gewesen ist. Selbst ein Spitzenunternehmen kann zu einem Verlustgeschäft werden, wenn der Kaufpreis zu hoch war. Wo wir allerdings schon heute mit Sicherheit von einer Bla- senbildung sprechen können, das sind die Rentenmärkte.Mir ist in der Kapitalmarkt- geschichte keine vergleichbare Situation mit so niedrigen oder sogar negativen Zin- sen bekannt. Glow: Vor einer drohenden Blase an den Rentenmärkten haben viele Marktteil- nehmer aber auch schon vor fünf Jahren gewarnt. Dennoch war mit Anleihen auch danach noch gutes Geld zu verdienen. Keppler: Ich gebe Ihnen durchaus recht. Aber gerade an den Rentenmärkten sind doch über Jahrzehnte geltende Investment- prinzipien regelrecht außer Kraft gesetzt worden, weil Marktmechanismen über ex- terne Eingriffe durch Zentralbanken und staatliche Stützungsmaßnahmen deutlich verzerrt worden sind. Extrem niedrige Zin- sen haben wir doch nur deshalb, weil nach demMotto „too big to fail“Unternehmen gerettet wurden, die eigentlich vom Markt hätten verschwinden müssen. Nur deshalb haben die soliden Firmen, also jene, die vorsichtig gewirtschaftet haben, die damals geretteten Unternehmen heute als Konkur- renten, die ihnen das Leben zusätzlich schwer machen. Das ist dann eben keine Marktwirtschaft mehr, denn da haben staatliche Eingriffe und Manipulationen das Marktgeschehen immer weiter ausein- anderdriften lassen. Aber auch das wird nicht auf ewig anhalten. Im Gegensatz zu Diamanten sind niedrige Zinsen nicht „fo- rever“. Insofern bin ich guten Mutes, dass sich die Prinzipien und Erkenntnisse, die seit mehr als hundert Jahren die Kapital- märkte bestimmen, früher oder später wie- der durchsetzen werden. » Die Prinzipien, die seit hundert Jahren die Kapitalmärkte bestimmen, werden sich wieder durchsetzen. « Michael Keppler, Keppler AM MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Michael Keppler | Keppler Asset Management 88 fondsprofessionell.de 4/2020 KREUZ VERHÖR FOTO: © GARY SPECTOR
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