FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021

Es gibt keine irgendwie geartete Liste, die ein Fondsmanager entsprechend abarbei- ten könnte. Aber es gibt so eine Art Wett- bewerb um Kapital in unseren Portfolios. Im Grunde verkaufen wir ein Unterneh- men nur dann, wenn wir für die entspre- chende Position eine aus unserer Sicht bes- sere Investmentidee gefunden haben. Und die besten Ideen finden wir häufig bei Un- ternehmen, die sich noch in einer frühen Wachstumsphase befinden. Haben Sie Beispiele für uns? Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die sozusagen noch relativ unentdeckt sind. Derzeit finden wir viele attraktive Anlage- ideen in Branchen wie dem Gesundheits- wesen und der Gensequenzierung, aber auch in Bereichen wie der Onlinebildung sowie bei allen Arten von Unternehmen, die sich auf das Thema Klimawandel kon- zentrieren. Inwiefern hilft es Ihren Portfoliomanagern, dass Baillie Gifford auch den im FTSE 100 notierten Scottish Mortgage Trust managt? Es ist immerhin der größte Investment Trust in Großbritannien, dessen Gelder wir managen. Das Besondere daran: Es ist ein Finanzinstrument, das nicht nur in börsen- notierte, sondern auch in nicht gelistete Unternehmen investiert. Dadurch kennen wir viele Unternehmen schon während ih- rer Private-Equity-Phase. Das bringt uns na- türlich einen gewissen Vorteil gegenüber herkömmlichen Asset Managern. Wie muss man sich das in der Praxis vor- stellen? In der Regel hat ein Fondsmanager beim Börsengang eines Unternehmens vielleicht drei Wochen davor die Möglichkeit, sich über die entsprechende Gesellschaft zu in- formieren, um dann zu entscheiden, ob er investiert oder eben nicht. Wir haben ein spezielles Team im Management des Scot- tish Mortgage Trust, das diese Unterneh- men schon weit vor dem geplanten Bör- sengang analysiert und beobachtet. Das heißt, wir kennen ein neu an die Börse kommendes Unternehmen oft schon drei oder vier Jahre vor seinem IPO. Das birgt natürlich ganz andere Möglichkeiten – nicht nur um sein tatsächliches langfristiges Potenzial einschätzen zu können. Wir wis- sen auch sehr genau, ob es genau die Vor- aussetzungen mitbringt, nach denen wir für Unternehmen in unseren offenen Fonds suchen. Sie haben einmal gesagt: „Wir sind absolut nicht an Aktienkursen interessiert.“ Ist die- se Haltung nicht ziemlich seltsam für eine Investmentgesellschaft? Das mag im ersten Moment so sein. Aber doch nur, weil viele Marktteilnehmer im- mer noch denken, es sei die Aufgabe eines Fondsmanagers, sich permanent Gedanken über Aktienkurse, Wirtschaftsdaten und Branchenentwicklungen zu machen, um zu versuchen, danach ein bisschen schlauer zu sein als andere Investoren beziehungs- weise zu antizipieren, wie diese anderen Marktteilnehmer sich verhalten werden. Im Grunde aber ist das nichts anderes als simples Trading. Wie gehen Sie vor? Wir versuchen erst gar nicht, zu antizipie- ren, was andere Investoren tun werden, ganz einfach, weil wir es nicht wissen kön- nen. Was wir aber wissen, ist Folgendes: Auf Sicht von fünf Jahren und länger ha- ben die Unternehmen mit dem schnellsten Gewinnwachstum eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, den Markt zu übertref- fen. Auf der anderen Seite dieser Skala ha- ben Unternehmen, die zu den 20 Prozent mit dem geringsten Gewinnwachstum ge- hören, eine 80-prozentige Wahrscheinlich- keit, sich schlechter als der Markt zu entwi- ckeln. Und diese Relation ist konstant über fünf Jahre, eventuell sogar noch länger. » Wir versuchen erst gar nicht zu antizipieren, was andere Investoren tun werden. « Stuart Dunbar, Baillie Gifford MARKT & STRATEGIE Stuart Dunbar | Baillie Gifford FOTO: © MIKE WILKINSON 170 fondsprofessionell.de 1/2021

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