FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021

D iversifikation ist der einzige „Free Lunch“an den Kapitalmärkten, allerdings stammt die- se Weisheit aus einer Zeit, als man in die zur Aus- wahl stehenden Portfoliobausteine ohne Bauch- schmerzen investieren konnte. Aktien, Anleihen, Cash und Gold sahen zwar für sich betrachtet durchaus Wertentwicklungsschwankungen, einen völligen Zusammenbruch eines dieser Segmente musste man früher aber nie befürchten.Das sieht heute anders aus. Bei Anleihen muss man kein Berufspessimist sein, um für den Fall steigender Zinsen einen Jahrhundertcrash zu erwarten. Sollte die Inflation kräftig zulegen, wären die Verluste bei Langläufern voraussichtlich beträchtlich. Dass man bei Aktien immer mit Rückschlägen rech- nen muss, ist ebenfalls bekannt. Und auch Gold ist angesichts der Preisschwankungen nichts für Witwen und Waisen. Investments in jede Assetklasse sind mit Unsicherheiten behaftet, und niemand weiß, wo Aktien, Anleihen oder Gold in zehn Jahren stehen wer- den. Was die Situation aktuell erschwert, ist die Tatsache, dass alles „teuer“ zu sein scheint. Man könnte daher annehmen, dass Diver- sifikation heute weniger sinnvoll wäre als früher. Wer das glaubt, sollte eine Analyse des US-Finanzblogs www.portfoliocharts.com kennen. Er beschäftigt sich mit dem Thema Portfoliogestaltung und hat für eine Illustration des Diversifikationseffekts stellver- tretend das Golden-Butterfly-Portfolio nachgerechnet. Es besteht zu 20 Prozent aus US-Aktien Gesamtmarkt, 20 Prozent US-Small-Cap- Value-Titeln, dazu kommen 20 Prozent US-Langläufer, 20 Prozent US-Kurzläufer und 20 Prozent Gold (als Tortendiagramm dar- gestellt, erinnert die Aufteilung an einen Schmetterling). Jeder Bau- stein dieses Portfolios durchlebte in der Zeit zwischen 1970 und 2020 schmerzhafte Kursverlustphasen, die zum Teil lang anhielten. Betrachtet man die Jahre 1972 bis 1981 für US- Anleihen, wird deutlich, dass Langläufer heute keineswegs zum ersten Mal in einer schwierigen Lage sind. Diese Dekade bescherte Anlegern inflationsbereinigt fast 50 Prozent Kursverlust. Auch Gold ist kein sichere Wette: Anleger, die 1981 auf Gold „hereinfielen“, mussten viele Jahre warten, bis sie ihren Einsatz wieder ohne Verlust vom Tisch nehmen konnten. Und ein Blick auf US-Aktien über den Zeitraum von 1999 bis 2008 zeigt, dass real ein Verlust von fast 30 Prozent anfiel. Portfoliocharts.com hat zur Visualisierung des Problems für jede Assetklasse und für das Goldener-Schmetterling-Portfolio einen „Magengeschwür-Index“ (Ulcer Index) berechnet, der Ausmaß und Länge der möglichen Rückschlagphasen (1970 bis heute) berück- sichtigt. Die Werte (je höher, umso schlechter) sprechen für sich: der Wert Gold: 47,7 (bis zu 78% Verlust), Aktien Gesamtmarkt: 16,3 (bis zu 49% Verlust), Small Cap Value: 11,3 (bis zu 49% Ver- lust), Anleihen lang: 15,0 (bis zu 17% Verlust), Anleihen kurz: 4,7 (bis zu 78% Verlust). Das Schmetterlingsportfolio fiel hingegen nie um mehr als elf Prozent im Wert, und in weniger als drei Jahren war man im ungünstigsten Fall wieder über Wasser. Über dieses und viele andere spannende Themen würden wir uns am 20. FONDS professionell KONGRESS ab 6. Juli gern aus- tauschen. Bis dahin wünschen wir Ihnen alles Gute. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Diversifikation bleibt Pflicht Auch wenn die Bestandteile eines diversifizierten Portfolios individuell heftig schwanken, funktioniert das Konzept in Summe. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.de 1/2021 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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