FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2021

W issen Sie, warum Sie in Flugzeugen aus runden Fenstern blicken? Weil in der ersten Düsenverkehrsmaschine in den 1950er- Jahren eckige Fenster drei Abstürze innerhalb eines Jahres verursachten. Die in größeren Flug- höhen auftretenden Druckunterschiede zwischen Kabine und Atmosphäre verursachten in der De Havilland Comet von den Fensterecken ausge- hende Risse, die den Rumpf zerstörten. Bis zur Erkenntnis, dass Flugzeuge keine eckigen Fenster haben dürfen, verloren aber etwa 100 Menschen ihr Leben. Wohl deshalb gibt es keine zweite Branche, die Fehler so konsequent sucht, analysiert und beseitigt wie die zivile Luftfahrt – nach jedem Zwischenfall wird Fliegen sicherer. Ein Wirtschaftszweig, in dem dies auch heute sicher noch nicht der Fall ist, ist das Finanzwesen. Seit Jahrzehnten kommt es mit unschöner Regelmäßigkeit zu Anlagebetrugsfällen, Bankenpleiten und Bilanzskandalen. Trotzdem hat man nicht den Eindruck, dass die zuständigen Aufsichten ähn- liche Lernkurven aufweisen wie die Luftfahrtbehörden – früher oder später treten immer wieder wieder Störfälle nach eigentlich altbekannten Mustern auf. Wirklich wundern muss man sich über Skandale, bei denen sich nach Bekanntwerden herausstellt, dass es lang davor Hinweise und Warnungen gab. Hier kommt regelmäßig zutage, dass es keine Untersuchung gab oder diese ergebnislos verlief. So wies etwa eine britische Hedgefondsmanagerin die Bafin schriftlich auf Recherche- ergebnisse hin, die auf Malversationen bei Wirecard hindeuteten, und bot ein Treffen an. Die Bafin verzichtete darauf, prüfte selbst, entdeckte aber nichts. Im Fall der österreichischen Commerzial- bank waren die Hinweise eines Informanten schon 2015 sehr kon- kret. Die Prüfer der Nationalbank, die zu dieser Zeit sogar vor Ort waren, fanden dennoch nichts. Auch der 2019 in Großbritannien erfolgte Zusammenbruch des Mini-Bond-Systems von London Capital & Finance, der mehr als 10.000 Sparer rund 237 Millionen Pfund kostete, hätte wohl vermieden werden können, wenn die Financial Conduct Authority früher reagiert hätte. Auch hier gab es laut britischen Medienberichten FCA-intern schon in den Jahren 2013 und 2014 Warnungen, dass mittels „irreführender Werbung Kleinanleger in für sie ungeeignete Investments gelockt würden“. Und die US- Finanzmarktaufsicht war vom Finanzexperten Harry Markopolos schon viele Jahre vor dem Kollaps des Madoff-Systems darauf hingewiesen worden, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuge- hen könne; ohne Konsequenzen. Um solche Fälle rechtzeitig zu entdecken,müsste man übrigens nur so vorgehen wie die oft igno- rierten Informanten: Wenn Fonds Traumrenditen mit geringer Volatilität erwirtschaften oder wenn kleine Banken auffällig attrak- tive Einlagenzinsen offerieren – mit anderen Worten: wenn wich- tige Eckdaten gegenüber demMarktdurchschnitt stark abweichen –, muss kontrolliert werden, wie es sein kann, dass ein Flugzeug trotz eckiger Fenster am Himmel bleibt. In der Bafin wurden aus dem Fall Wirecard personelle Konse- quenzen gezogen – das Problem sind aber wohl nicht die handeln- den Personen, sondern die Systematik der Überwachung. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Flache Lernkurve Seit Jahrzehnten kommt es mit unschö- ner Regelmäßigkeit zu Anlagebetrugsfällen, Bankenpleiten und Bilanzskandalen. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.de 2/2021 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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