FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022

ger verlange, von heute auf morgen alle Kohlekraftwerke abzuschalten, sei das aus ihrer Sicht sicherlich die richtige Forde- rung. „Wir sind aber Aktionäre, keine Umweltaktivisten. Für uns muss sich eine Änderung des Geschäftsmodells langfristig für die Unternehmung und damit für die Aktionäre auszahlen.“ Die Dekarboni- sierung sei alternativlos, der Umbau müsse jedoch behutsam erfolgen, sonst würden nicht nur Firmenwerte vernichtet, sondern auch Arbeitsplätze. „Und zum nachhal- tigen Investieren gehört auch, auf soziale Aspekte zu achten“, betont Speich. MatthewRoberts,Corporate-Governance- Analyst bei Fidelity International, nennt einen weiteren Grund, warum sein Arbeit- geber nicht jedem Aktionärsantrag zu- stimmt.Wichtig zu wissen: In den USA ist es deutlich einfacher, einen solchen Antrag zu stellen, als in vielen europäischen Län- dern – Aktien für 2.000 US-Dollar des je- weiligen Unternehmens reichen schon aus. Allerdings sind mit einem solchen „Propo- sal“ nur einige wenige Forderungen mög- lich, beispielsweise nach detaillierten Infor- mationen. „Oft verfolgt der Aktionär ein konkretes Ziel, das er aber gar nicht ein- fordern kann“, sagt Roberts. „Mit dem Ruf nach mehr Transparenz oder einer Unter- suchung versucht er dann, die Aufmerk- samkeit für sein eigentliches Anliegen zu gewinnen.“ Als Beispiel nennt Roberts die Forde- rung an einen Lebensmittelkonzern, eine Studie über die Folgen zuckerhaltiger Getränke erstellen zu lassen – in Wahrheit geht es natürlich darum, dass das Unter- nehmen Alternativen zu pappsüßen Limo- naden suchen soll. „Zu diesem Thema gibt es genügend unabhängige wissenschaftli- che Arbeiten, deren Ergebnisse auch die Firmenspitze kennt“, sagt der Analyst. „Da ist es unnötig, neue Studien zu beauftragen. Zielführender ist es, dem Vorstand im direkten Dialog bewusst zu machen, dass er dieses drängende Problem nicht verta- gen darf, sondern gleich angehen muss.“ Klimaschutz als Deckmantel Deka-ESG-Experte Speich bereitet ein weiterer Trend Sorge: „Aktivistische Aktio- näre kapern das Thema Nachhaltigkeit, um daraus Profit zu schlagen.“ Als Beispiel nennt er die Forderung eines US-Hedge- fonds, einen großen Energiekonzern aufzu- spalten – in einen „braunen“ und in einen „grünen“ Teil. „Im Sinne der Nachhaltig- keit wäre das kontraproduktiv, weil so die nötige Transformation des Gesamtkonzerns ausbleiben würde“, warnt Speich. Eine sol- che Aufspaltung würde mit Blick auf den Aktienkurs vielleicht ein kurzes Strohfeuer entfachen, ganz im Sinne des aktivistischen Investors. „Mittelfristig wäre aber weder für die Umwelt noch für das Unternehmen, sprich die Aktionäre, etwas gewonnen“, ist Speich überzeugt. Er wird diesen Antrag daher nicht unterstützen. „Proxy Voting“ unter der Lupe Die Nichtregierungsorganisation Share Action hat das Abstimmungsverhalten von 65 großen Asset Managern auf Hauptversammlungen 2021 untersucht. Anbieterauswahl: Share Action orientierte sich am Ran- king des Branchendienstes „Investment and Pensions Europe“. Ausgewählt wurden zunächst die 19 weltgrößten Asset Mana- ger. Hinzu kamen weitere 36 europäische und zehn britische Anbieter. Ausschlaggebend war das verwaltete Vermögen. Ranking: Share Action analysierte, wie die Anbieter bei 146 Aktionärsanträgen abgestimmt haben. Dabei ging es um Umwelt- und Sozialthemen sowie die Kopplung der Vorstands- vergütung an Nachhaltigkeitsziele. Die Grafik zeigt die zehn Asset Manager mit der höchsten Zustimmungsquote. Die Quoten der sechs größten Anbieter finden Sie auf der nächsten Seite. Quelle:ShareAction „VotingMatters2021“ 0% 20% 40% 60% 80% 100% Man Group, Großbritannien/Schweiz NN IP, Niederlande Nordea AM, Schweden Aviva Investors, Großbritannien MN, Niederlande Amundi, Frankreich Robeco, Niederlande Achmea IM, Niederlande BNP Paribas AM, Frankreich Impex AM, Großbritannien Zustimmung zu 146 ausgewählten Aktionärsanträgen zu ESG-Themen 2021 99 % 98 % 96 % 95 % 93 % 92 % 91 % 91 % 90 % 90 % » Oft verfolgt der Aktio- när mit seinem Antrag ein Ziel, das er gar nicht einfordern kann. « Matthew Roberts, Fidelity MARKT & STRATEGIE Stimmrechtsausübung 124 fondsprofessionell.de 1/2022 FOTO: © FIDELITY

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