FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022

2 022 hätte eigentlich ein gutes Börsenjahr werden können. Dank der weniger gefährli- chen Omikron-Variante des Coronavirus wäre ein Ende der Pandemie in Sicht gewesen, wodurch sich die Situation der internationalen Lieferketten hätte normalisieren können, was wiederum die durch produktionsseitige Probleme verursachten Preisanstiege eingedämmt hätte.Wäre und hätte. Stattdessen befinden wir uns in einer der drama- tischsten politischen Krisen der Nachkriegszeit. Energie- und Rohstoffpreise explodieren, und die Inflationsraten in den USA und in Europa befinden sich auf lange nicht gesehenen Niveaus. Fallen Russland und die Ukraine als Lieferanten von Rohstoffen und Agrargütern bis auf Weiteres aus, dürfte das auch so bleiben oder noch viel schlimmer werden. Wenn sich die politische Situation nicht rasch entschärft, stehen die Chancen gut, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession schlittert. Und diesmal wäre es für die Notenbanken noch schwieriger, stabi- lisierend einzugreifen. Das zu erwartende Umfeld bezeichnet man als Stagflation, was für wenig bis kein Wirtschaftswachstum plus hohe Geldentwertung steht. Allerdings kann es auch völlig anders kommen. Obwohl das die Mehrzahl der Beobachter derzeit aus- schließt, könnte Russland einlenken, die Rohstoffmärkte könnten sich entspannen und eine Konjunkturerholung sowie eine Infla- tionsabschwächung könnten uns noch im laufenden Jahr positiv überraschen. Und damit sind wir beim Thema: Kein Mensch kann heute seriös einschätzen, wo wir am Ende dieses Jahres stehen werden. Und das ist nicht nur heute so, es war nie anders. Das Wetter der kommenden zwei Wochen können Meteorologen rela- tiv präzise vorhersagen, wenn ein Hochdruckgebiet von Gibraltar bis Moskau reicht. Gibt es mehrere Störeinflüsse, schrumpft der brauchbare Prognosezeitraum auf wenige Tage zusammen. Jenseits von zwei Wochen Betrach- tungshorizont sinkt die Prognosequalität prak- tisch auf null. Als Investor hat man es aber noch nicht einmal mit dem Wetter, sondern mit dem Klima zu tun, man müsste also Jahre bis Jahr- zehnte in die Zukunft blicken. Und dazu gibt es nur eine tragfähige Prognose: Alles ist möglich, rechnen Sie daher stets mit allem. Die passende Strategie dafür ist simpel: globale Diversifikation über alle Regionen, Branchen und Themen. Dank der Fondsbranche lässt sich das mithilfe mehrerer Fonds ver- gleichsweise unkompliziert umsetzen. Allein das täglich handelbare Angebot an gemischten Fonds beziehungsweise Multi-Asset-Pro- dukten, die bereits ein hohes Maß an Diversifikation sicherstellen, ist gewaltig. Daneben gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, Aktien und Anleihen um Rohstoffe und Immobilien zu ergänzen. Unsere Einschätzung bezüglich der Praxisrelevanz von Prognosen heißt nicht, dass man die Meinungen von Akteuren und Beobach- tern ignorieren sollte.Nur wer sie kennt, hat ein Gefühl dafür, „was der Markt glaubt“ – die Betonung liegt aber auf „glauben“ . In den kommenden Monaten werden Sie vermutlich nirgendwo mehr Gelegenheit haben, Ihr Wissen in dieser Hinsicht auf den neuesten Stand zu bringen, als am 20. FONDS professionell KONGRESS in Mannheim am 21. und 22. Juni 2022. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Ignorieren Sie Prognosen Die aktuelle Weltlage zeigt uns einmal mehr, wie sinnlos und gefährlich es ist, auf Grundlage von Pro- gnosen zu investieren. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.de 1/2022 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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