FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022

Lars Feld zählt zu den renommiertesten und einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. Jüngst wurde er zum persönlichen Berater von Finanzminister Lindner berufen. Im Interview erläutert er, was Inflation und Ukrainekrieg für die Wirtschaft bedeuten. L ars Feld, Professor für Wirtschaftspoli- tik in Freiburg, war von 2011 bis 2021 Mitglied der „Wirtschaftsweisen“, zuletzt als Vorsitzender. ImMärz wurde er zum „Per- sönlichen Beauftragten des Bundesminis- ters der Finanzen für die gesamtwirtschaft- liche Entwicklung“ berufen. Im Gespräch liefert er Einschätzungen zu Themen wie Inflation und Energiewende. Herr Professor Feld, das zentrale Thema derzeit heißt Inflation. Sie haben schon Anfang 2021 gewarnt, dass sich etwas tun wird, wobei Ihre Begründung dafür teilwei- se eine andere war. Hat die jüngste Ent- wicklung Ihre Befürchtungen übertroffen? Lars Feld: Ja, wir liegen deutlich darüber. Was die Begründungen betrifft, muss man die Ursachen und die einzelnen Kompo- nenten dieser Ursachen genauer betrach- ten. In Deutschland und im Euroraum ins- gesamt dominiert der Effekt der Energie- preise, der hauptsächlich von außen kommt. In den USA sieht das anders aus. In den USA sind es Preissteigerungen bei Gütern und Dienstleistungen allgemein, die sich überwiegend auf die Konjunktur- pakete der Administration Biden und so- mit auf eine zu expansive Finanzpolitik bei gleichzeitig zu expansiver Geldpolitik zu- rückführen lassen. Letztlich würde ich da- her sagen, dass sich meine damalige Be- gründung – nämlich, dass die Geldpolitik zu üppig und die Finanzpolitik zu expansiv sind – als richtig erwiesen hat. Derzeit bleibt aber auch im Euroraum das gesamt- wirtschaftliche Angebot klar hinter der Nachfrage zurück. Und natürlich können die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik da- für sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Das Angebot zu steigern war schon ohne den Ukrainekrieg schwie- rig und wird jetzt noch schwieriger. Das heißt, der Energiepreisanstieg infolge des Krieges hat die vorher bestehende Situation nur verschärft? Die Lieferkettenproblematik war schon vor demKrieg groß, und ich habe schon früher regelmäßig gesagt: Das wird weitergehen. Wer China beobachtet hat – zuletzt mit Lockdowns für Millionenstädte wie Shang- hai und Shenzen –, musste das erwarten. Und es war nicht nur in China so, auch an- dere wichtige Rohstofflieferanten wie Aus- tralien oder Neuseeland verfolgten eine Null-Covid-Strategie. Selbst die USA sind erst seit September 2021 wieder teilweise und seit November allgemein geöffnet. Man kann daher heute nicht sagen, dass die Lieferkettenproblematik gelöst wäre, sie wird uns weiter begleiten. Jetzt kommt eben noch die Rohstoffthematik hinzu. Wie sehen Ihre Inflationsszenarien aus beziehungsweise ist es angesichts der un- sicheren Lage überhaupt sinnvoll, solche Szenarien zu entwickeln? Szenarien sind immer sinnvoll, was sollte man sonst tun, man kann ja nicht in den Tag hinein leben? Wenn ich mir die Prog- nosen ansehe, erwarten die meisten Beob- achter den typischen Inflationsbuckel, das ist aber wahrscheinlich deshalb so, weil er eben typisch ist. Der Sachverständigenrat prognostizierte Anfang April für Deutsch- land 6,1 Prozent Inflation, für den Euro- „Stagflation bedeutet Wohlstandsverlust “ » Der Spielraum der Notenbanken ist gar nicht so eng, wie man meinen sollte. « Lars Feld, Universität Freiburg 182 fondsprofessionell.de 2/2022 MARKT & STRATEGIE Lars Feld | Universität Freiburg

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