FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022

können, ob sie auch in der Geldanlage auf Nachhaltigkeit achten möchten. Helmut Boller: Für uns als genossenschaft- liche Bank ist Nachhaltigkeit ein Kernwert, und es ist uns ein Anliegen, das in die Region zu tragen. Darum haben wir bei- spielsweise an Kunden, die einen Nachhal- tigkeitsfonds zeichneten, Gutscheine über- reicht, die sie bei regionalen Landwirten oder in Bioläden einlösen konnten. Ab August ist es Pflicht, in der Anlagebe- ratung die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden zu erheben.Wissen Sie schon, wie Sie die Vorgaben konkret umsetzen? Becker: Wie der Prozess grob aussehen wird, ist klar, an den Details wird im Genossen- schaftssektor aber noch gearbeitet. Auch die Beratungssoftware muss noch entspre- chend angepasst werden – da hat die ganze Branche noch ein Stück Arbeit vor sich. Boller: Bislang ist der Beratungsprozess tech- nisch noch nicht ideal unterstützt. Klar ist, wie wir vorgehen, wenn ein Anleger Nach- haltigkeit wünscht oder nicht. Aber was empfehlen wir Kunden, die sagen, dass nachhaltige Anlagen für sie in Frage kom- men, sie sich aber auch für herkömmliche Investments interessieren? Denen müssen wir gewissermaßen beides anbieten, was den Prozess verkompliziert. Auch die Pro- duktauswahl ist eine Herausforderung. Bislang gelingt es nicht, für jedes Anlage- segment eine nachhaltige Lösung zu fin- den, die wir unseren Kunden guten Gewis- sens empfehlen können. Außerdem gibt der Kapitalmarkt noch gar nicht genügend potenzielle Investitionsziele her, um die Nachfrage zu befriedigen. Herausfordernd ist es wahrscheinlich auch, den Kunden zu erläutern, was ihr Geld tatsächlich bewirken kann. So direkt, wie manche denken, ist dieWirkung ja nicht. Becker: Es ist in der Tat schwierig, das sau- ber zu erklären. Hoffentlich gibt es bald einheitliche Regeln, die die nötige Trans- parenz schaffen. Wir dürfen den Kunden nicht im Glauben lassen, dass jedes Pro- dukt, das „Nachhaltigkeit“ imNamen trägt, zu 100 Prozent seiner individuellen Vorstel- lung von Nachhaltigkeit entspricht – das muss im Einzelfall abgeglichen werden. Zurück zu den zuletzt hohen Zuflüssen: Be- reuen die Kunden ihre Investments ange- sichts der Turbulenzen an den Märkten mittlerweile und ziehen ihr Geldwieder ab? Becker: Panikartige Verkäufe gibt es nicht, die meisten Kunden reagieren sehr beson- nen. Wir legen in unserer Beratung sehr transparent dar, dass es sich bei der Geld- anlage um ein langfristiges Investment han- delt, das auf die zuvor besprochenen Ziele, den Anlagehorizont und das Risikoprofil abgestimmt ist und zudem in die gesamte Vermögensstruktur passt. Viele Anleger haben außerdem aus alten Krisen gelernt: Egal ob im Jahr 2000 beim Platzen der Internetblase, 2008 bei der Lehman-Pleite oder kurz darauf in der Eurokrise: Rück- blickend hat sich immer wieder gezeigt, dass es am besten ist, einfach investiert zu bleiben.Mit der Geldanlage verhält es sich wie mit einer Pizza: Wenn auf der Ver- packung steht, dass sie zwölf Minuten backen muss, ergibt es keinen Sinn, jede Minute den Ofen aufzumachen, um nach- zusehen, ob sie schon fertig ist. Boller: Hinzu kommt, dass wir den Kun- den seit drei Jahren konsequent empfehlen, immer nur einen Teil ihres Geldes sofort und den Rest ratierlich anzulegen. 2021 kam ein Fünftel unseres Neugeschäfts aus » Manche Geldanlage- regeln sind so banal, dass sie im Private Banking mitunter vergessen werden. « Patrick Becker, Westerwald Bank fondsprofessionell.de 2/2022 397

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