FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022

gehend auch seine Aufgaben ignoriert. Das war eine unangenehme Zeit für mich.Die- ser Mitarbeiter wurde dann in Abstim- mung mit der Geschäftsleitung entlassen. Damit ich im Ruhestand in Schwung blei- be und weil ich mir ein Leben ohne Hun- de nicht vorstellen kann, ist vor einigen Wochen ein Airedale-Welpe bei mir einge- zogen. Nicht umsonst habe ich mir einen Terrier ausgesucht. Ich selbst habe auch durchaus Terrier-Qualitäten. Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen, anders hätte das in meinem Job auch überhaupt nicht funktioniert. Heute gehen auch Väter in Elternzeit, es gibt Unternehmen, die Kindergartenplätze anbieten, Frauen haben insgesamt bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen als noch vor 30 oder 40 Jahren. Wie haben Sie diesen Spagat denn geschafft? Ich bin schon sehr früh Mutter geworden. Mein Mann hat damals noch studiert. An der Universität Oldenburg gab es eine klei- ne private Initiative für die Kinderbetreu- ung. Dort haben wir unsere Tochter unter- gebracht, als sie ein Jahr alt war. Ich habe nur fünf Jahre in Teilzeit gearbeitet, sonst immer in Vollzeit. Als mein Mann sein Examen als Lehrer hatte, war er nachmit- tags und in den Ferien zu Hause, das passte alles ganz gut. 53 Jahre in der Finanzberatung sind eine lange Zeit. Wenn Sie es auf einen Punkt bringen sollten: Was ist der deutlichste Unterschied zwischen dem Beginn Ihrer Tätigkeit und Ihrer Arbeit heute? Das ist ganz klar die unsinnige, aufgeblähte Bürokratie. Die übertriebene Regulierung stellt gerade in der Betreuung älterer Kun- den eine echte Geschäftsverhinderung dar. Sie kommen gar nicht mehr mit und fra- gen mich, warum sie mir immer neue Erklärungen und Belehrungen unterschrei- ben sollen, obwohl ich sie doch seit 35 Jah- ren kenne.Oder nehmen wir die Aufzeich- nungen telefonischer Beratungsgespräche im Wertpapierbereich, die zehn Jahre ge- speichert werden müssen. Das wollen viele meiner Kunden nicht. Das kann ich auch gut nachvollziehen. Dann muss ich aber alles schriftlich abwickeln, was natürlich viel mehr Zeit kostet. In über 50 Jahren haben Sie auch viele Krisen hautnah miterlebt. Was war für Sie als Beraterin die schwierigste Phase? Das kann ich gar nicht genau sagen. Im- mer wenn eine Krise da war, habe ich mit all meinen Kunden gesprochen und sie auf ihre aktuelle Vermögensübersicht hinge- wiesen. Ich habe ihnen gerade dann vor Augen geführt, dass wir das Vermögen auf verschiedene Anlageklassen verteilt und damit das Risiko reduziert haben. Wichtig ist, dass man sich in schwierigen Zeiten nicht wegduckt, sondern die Kunden anspricht. Dadurch habe ich in Crashs so gut wie keinen Kunden verloren. Und was war beruflich Ihre schönste Phase in all der Zeit? Meine mit Abstand schönste Zeit hatte ich, als ich mich mit Anfang 50 selbstständig gemacht habe. Es war zwar nicht einfach, weil wir bei null anfangen mussten. Mei- » Die übertriebene Regulierung stellt gerade in der Betreuung älterer Kunden eine echte Geschäfts- verhinderung dar. « Roswitha Grigoleit, Conmedio FOTO: © ANDREA LEHMKUHL | SOUND & PICTUREDESIGN GBR fondsprofessionell.de 3/2022 311

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