FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022

Fragwürdiges Prüfsiegel Die Lebensversicherer haben ihre Solvenzquoten 2021 im Schnitt verbessert. Sie sagen aber nur wenig über die echte Finanzkraft der Unternehmen aus – und sind schlecht vergleichbar. D as europäische Zeichen für Bioquali- tät oder der Aufdruck „Made in Ger- many“: Es gibt viele Siegel, die Qualität ver- bürgen sollen. Doch wenn nicht klar ist, welche Methoden einer Güteprüfung eigentlich zugrunde liegen, erlauben solche Siegel keinen vernünftigen Produktver- gleich. Ähnlich sieht es bei den Sol- venzquoten der Versicherer aus, die die Finanzaufsicht Bafin seit 2017 jeweils für das Vor- jahr veröffentlicht. Die gute Nachricht: Seit sich FONDS professionell vor fünf Jahren den damals neuen Quoten zum ersten Mal widmete, sind sie – mit zwischenzeitlichen Schwan- kungen – deutlich gestiegen. So lag die sogenannte „auf- sichtsrechtlich relevante Sol- venzquote“ der deutschen Lebensversicherer nach Anga- ben der Bafin Anfang 2016 im Schnitt bei 283 Prozent. Im Jahr 2021 belief sich die durchschnittliche Quo- te der 75 Lebensversicherer, die die Kölner Ratingagentur Assekurata unter die Lupe genommen hat, auf stattliche 460 Prozent. Auch der Bund der Versicherten (BdV) und das auf Versicherungsfinanzanalyse spezialisierte Beratungshaus Zielke Research Consult kommen in ihrer Untersuchung für 2021 erstmals zu einem positiven Ge- samturteil. „Die deutschen Lebensversi- cherer haben ihre Hausaufgaben gemacht“, befand der BdV. Keines der 78 analysierten Unternehmen wies eine Solvenzquote von unter 100 Pro- zent aus. Dieser Wert gilt gemäß der 2016 in Kraft getretenen EU-Richtlinie Solvency II als ausreichend. Auch eine Betrachtung der „reinen“ Solvenz, die sich ergibt, wenn Übergangsmaßnahmen (siehe Kasten nächste Seite) unberücksichtigt bleiben, fiel erfreulich aus. Zwar rissen 2021 immer noch acht Unternehmen die 100-Prozent- Hürde, ein Jahr zuvor waren es allerdings noch 20 Lebensversicherer. „Die Schlussfolgerung, die Versicherer hätten ihre Hausaufgaben gemacht, ist nur die eine Seite der Medaille“, entgegnet Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Be- wertung bei Assekurata. „In den verbesser- ten Solvenzquoten spiegeln sich vor allem die bereits ab Ende 2021 leicht gestiegenen Zinsen langlaufender Staatsanleihen, etwa die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen, wider“, sagt er. Und eines steht fest: Transpa- renz für Vermittler schaffen die Solvenz- quoten nach wie vor nicht. Unterschiedliche Methoden Dabei ist es ein erklärtes Ziel von Solvency II, Marktteilnehmern mit den Kennzahlen mehr Aufschluss über die Finanzkraft der Versicherer zu geben und sie hinsichtlich ihrer Stabilität besser vergleichbar zu ma- chen. Doch weil die Unternehmen bei der Ermittlung ihrer Krisenfestig- keit zum Teil unterschiedliche Model- le verwenden, manche zudem Über- gangsmaßnahmen nutzen, andere wiederum nicht, ist es mit der Aus- sagekraft leider nicht allzu weit her. Um zu verstehen, wofür die Solvabilitäts- oder Bedeckungsquoten, wie sie fachlich korrekt heißen, genau stehen, ist es gut, sich anzuschauen, wie sie berechnet werden. In einem ersten Schritt ermitteln die Versiche- rer in einer ökonomischen Bilanz ihre Ei- genmittel. Dafür ist zunächst die Summe der Vermögenswerte zu errechnen, die in erster Linie aus den Kapitalanlagen beste- hen. Im zweiten Schritt werden von den » Es ist schwierig, eine exakte Prozentzahl für eine ›gesunde‹ Solvenzquote anzugeben. « Lars Heermann, Assekurata FONDS & VERSICHERUNG Solvenzquoten 272 fondsprofessionell.de 4/2022 FOTO: © M. SCHUPPICH | STOCK.ADOBE.COM

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