FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023

Wilhelm Schluckebier, seit vier Jahren Ombudsmann für Versicherungen, über seine „Erfolgsquote“, die Vorteile und Grenzen der Schlichtung, typische Fehler bei Verbraucherbeschwerden und die Frage, warum er nicht längst seinen Ruhestand genießt. W ilhelm Schluckebier wirkt als Ombudsmann für Versicherungen dem Ungleichgewicht entgegen, das Kun- den oft bei Problemen mit Versicherern und Vermittlern spüren. In seinem Berliner Büro benennt er die aktuellen Probleme der Branche und seine Lösungsansätze. Herr Schluckebier, Sie sind erst der dritte Ombudsmann überhaupt, seit die Versi- cherer 2001 Kunden ein kostenloses Schlichtungsverfahren anbieten. Hat sich die Institution etabliert? Wilhelm Schluckebier: Ja, der Versicherungs- ombudsmann hat seit über 20 Jahren ein relativ gleichmäßiges Beschwerdeaufkom- men. Das Schlichtungsverfahren ist sehr bekannt und wird gern genutzt. Bei aller in eigener Sache gebotenen Zurückhaltung lässt sich wohl sagen, dass der Versiche- rungsombudsmann aufgrund seiner soli- den Arbeit einen guten Ruf genießt, nicht zuletzt auch wegen der ihm garantierten Unabhängigkeit und der institutionellen Eigenständigkeit, mit der ihn die Versi- cherer ausgestattet haben. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach fast vier Jahren als Ombudsmann aus? Die Vorzüge der Schlichtung sind besser anerkannt denn je: schnell, sachnah, unbü- rokratisch, kostenfrei für die Verbraucher, kostengünstig für die Unternehmen. Wir haben auf die elektronische Aktenbearbei- tung umgestellt, haben hervorragende Mit- arbeiter und viele Streitfälle beigelegt. Aber: Es gibt immer wieder neue Problemstel- lungen, gerade in der Lebensversicherung, aber auch in anderen Sparten, etwa bei der Reiseversicherung in der Pandemie. Die detaillierten Zahlen für 2022 liegen ja erst im Mai auf dem Tisch. Gibt es schon eine Tendenz, was anders lief als zuletzt? Den Tätigkeitsbericht mit einigen Zahlen für 2022 haben wir bereits zum 1. Februar online gestellt. Dazu sind wir verp ichtet. Es liegt aber auf der Hand, dass es so kurz nach dem Jahreswechsel noch keine gründ- liche Auswertung gibt. Auch sind die Zah- len zum Teil noch vorläu g, denn nicht alle Beschwerden waren bis zum 1. Februar abschließend bearbeitet. Allerdings lässt sich jetzt schon sagen, dass die Beschwerde- eingänge, gerade auch in den traditionell zahlenstärksten Sparten Lebensversiche- rung und Rechtsschutz, spürbar zurück- gegangen sind. Insgesamt liegen wir bei knapp 16.000 Eingängen. Nimmt die Streitlust insgesamt ab? Die im Rahmen der üblichen Schwankun- gen doch etwa gleichbleibend hohe Zahl von 16.000 bis 19.000 Beschwerden zeugt von einem konstanten Bedarf an Schlich- tung. Allerdings ist das wenig im Verhältnis zu über 400 Millionen Versicherungsverträ- gen in Deutschland. Nun ist Schlichtung gewiss kein Ausdruck von Streitlust. Es wird einfach die Möglichkeit wahrgenom- men, die Entscheidung des Versicherers noch einmal durch eine unabhängige und neutrale Instanz kostenfrei und zeitnah überprüfen zu lassen. Allerdings sind die Eingangszahlen bei den Zivilgerichten zum Versicherungsvertragsrecht seit Jahren rückläu g. Sie haben sich seit 2005 bei den „Das Schlichtungsverfahren ist ein großartiges Modell“ » Als neutrale Instanz sind wir allen Beteiligten gleicher- maßen verpflichtet. « Wilhelm Schluckebier, Versicherungsombudsmann FONDS & VERSICHERUNG Wilhelm Schluckebier | Versicherungsombudsmann 242 fondsprofessionell.de 1/2023

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