FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023

Die große Info-Welle Seit Anfang 2023 sind die technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung in Kraft. Welche Angaben Fondsanbieter zu ESG-Produkten jetzt liefern müssen – und was sie bringen. D as ist eine klare Sache“, heißt es oft, wenn eine Aufgabe, eine Fragestel- lung oder ein Vorhaben konkret und prä- zise umrissen ist. Doch es kann auch pas- sieren, dass die Sache umso unklarer wird, je mehr sie konkretisiert, präzisiert und er- läutert wird.Dann verliert sich die Aufgabe, die Fragestellung oder das Vorhaben im- mer weiter in Details, bis vor lauter Infor- mation am Ende niemand mehr versteht, worum es eigentlich gehen soll. Eine solche Flut an Infos, Erläuterungen und Detailbeschreibungen ist am 1. Januar 2023 auch über Kapitalverwaltungsge- sellschaften (KVGen), Finanzberater und Anleger hereingebrochen. An diesem Tag traten die technischen Regulierungsstan- dards (RTS) in Kraft, die die EU-O enle- gungsverordnung (nach ihrer englischen Bezeichnung „Sustainable Finance Disclo- sure Regulation“ in der Branche gern mit SFDR abgekürzt) konkretisieren. Seitdem haben Fondsanbieter auf ihren Websites detailliert darzulegen, ob sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nach- haltigkeitsfaktoren (PAIs, De nition siehe Kasten nächste Seite) berücksichtigen, und wenn ja, in welcher Art und Weise. Doch damit nicht genug: Auch im Verkaufspro- spekt sowie im Jahresbericht haben die KVGen für jeden einzelnen ESG-Fonds anzugeben, ob das Produkt die wichtigsten PAIs berücksichtigt. Ist dies der Fall, muss dargelegt werden, auf welche Weise das erfolgt – und an diesem Punkt bricht die Informations ut los. Die Verwirrung stei- gert sich zusehends beim Lesen all der standardisierten Dokumente. In Kraft oder nicht? Allerdings haben schon die RTS selbst, die die Vorschriften der relativ knapp abge- fassten SFDR verfeinern, in der Branche für Verwirrung gesorgt. Zuweilen war zu hö- ren, sie seien bereits in Kraft, es fehlten nur noch einzelne Punkte, dann wieder, ihre Anwendung werde lediglich „empfohlen“. „Bei technischen Regulierungsstandards kann aus rechtlicher Sicht nicht die Rede davon sein, dass ihre Anwendung empfoh- len wird, sie sind entweder in Kraft oder nicht“, sagt Markus Lange, Rechtsanwalt und Partner der Baker Tilly Rechtsanwalts- gesellschaft. „Die RTS zur EU-O enle- gungsverordnung sind nicht gemeinsam mit der SFDR am 10. März 2021 in Kraft getreten“, erläutert er. Damit fehlten wich- tige Konkretisierungen, die nach dem ursprünglichen Vorschlag der drei Euro- päischen Aufsichtsbehörden (ESAs) ab 1. Januar 2022 anzuwenden sein sollten. Lang und detailliert Doch die präzisierenden RTS sind lang und technisch detailliert. Daher benötigte die Europäische Kommission mehr Zeit, um sich mit den geplanten Regulierungs- standards zu beschäftigen. Sie verschob den Start zunächst auf den 1. Juli 2022. Schließ- lich wurden die nalen RTS am 6. April 2022 in Form einer Delegierten Verord- nung (DelVO (EU) 2022/1288) erlassen und am 25. Juli 2022 im Amtsblatt der Europäischen Union verö entlicht. „Nach einer weiteren Berichtigung sind sie nun seit dem 1. Januar 2023 anzuwenden“, erläutert Lange. Surfer, der gerade noch auf einer riesigen Welle reiten kann, bevor sie ihn erfasst: Finanzberater und Anleger werden seit Jahresbeginn von einer Flut an Informationen zu nachhaltigen Fonds überschwemmt. VERTRIEB & PRAXIS ESG-Fondsdokumente 322 fondsprofessionell.de 1/2023 FOTO: © BARRY | STOCK.ADOBE.COM

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