FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023

Wende manöver Jahrelang wehrten die Banken das Geld der Sparer mit Strafzinsen ab. Doch nun beschert die Zinswende dem Einlagengeschäft ein fulminantes Comeback: Tagesgeld taugt wieder zum Kundenfang. W ie scha t es eine kleine Bank, in drei Wochen 10.000 Kunden zu ge- winnen? Ganz einfach: Sie bietet 1,5 Pro- zent Zinsen aufs Tagesgeld. Im November gelang jedenfalls der Rai eisenbank im Hochtaunus dieses Kunststück.Ob 1,5 Pro- zent heute noch reichen würden, um diesen Erfolg zu wiederholen, ist jedoch fraglich, denn seither überbieten sich die Institute mit ihren Tagesgeldo erten. Befeuert wurde der Trend interessanter- weise von Marktteilnehmern, von denen man das noch vor wenigen Monaten nie vermutet hätte: den Neobrokern. Anfang Januar rüttelte Trade Republic die etablier- ten Kreditinstitute mit der Ansage wach, Guthaben auf dem Verrechnungskonto ab sofort mit zwei Prozent zu verzinsen. Sca- lable Capital legte Ende Januar mit 2,3 Pro- zent nach. Durfte das Münchner Fintech damals damit werben, Deutschlands „höchsten Tagesgeldzins“zu bieten, war das wenige Wochen später Vergangenheit. Seit Mitte März jedenfalls bietet Freedom Finance 2,5 Prozent, „den aktuell höchsten Zinssatz in Europa“, wie es seinerzeit hieß. „Sparkonten können ein guter Weg sein, um einen Teil des eigenen Kapitals als Er- spartes zumindest etwas vor der In ation zu schützen, ohne dass Anleger dabei aktiv investieren müssen“, sagt die stellvertretende Vertriebsche n Shanna Strauss-Frank. „Au- ßerdem ist das Geld auf dem Tagesgeld- konto jederzeit verfügbar, wodurch Kun- den exibel bleiben.“Damit wird klar, was – neben der Neukundenakquise – das Kal- kül ist: Die Kunden sollen der Plattform auch in Zeiten treu bleiben, in denen die Geldanlage kein Selbstläufer mehr ist. Kundengewinnung In diese Richtung argumentiert auch Martin Daut, der Chef von Quirion. Der digitale Vermögensverwalter der Quirin Privatbank bietet seit März zwei Prozent Zinsen auf dem Verrechnungskonto. „Für den langfristigen Vermögensaufbau setzen wir weiterhin voll auf den Kapitalmarkt und unsere ETF-Portfolios“, sagt Daut. Viele Kunden hätten sich aber zusätzlich ein ver- zinstes Cash-Konto gewünscht. „Die Zins- wende macht das jetzt möglich“, sagt der Quirion-Chef. „Wenn neue Kundinnen und Kunden, die bisher nicht in ETFs investiert haben, durch unser Angebot erste Erfahrungen damit machen, führt das ho entlich auch zumweiteren Abbau von Berührungsängsten und Vorurteilen gegen- über dem Kapitalmarkt.“ Nicht nur Neobroker und Robo-Advisors, selbst mancher Versicherer nutzt die Gunst der Stunde. So erhöhte die Allianz Leben den Zinssatz für ihr „Parkdepot“, mit dem Kunden ihr Geld ähnlich wie bei einem Tagesgeldkonto anlegen, jüngst auf zwei Prozent. Ihr Argument: Anleger sollen mit diesem Produkt „in Ruhe planen können, » Die Regionalbanken spekulieren auf die Treue ihrer Kunden und lassen sich mit Zinserhöhungen Zeit. « Oliver Maier, Verivox Rasante Kehrtwende: Während vor einem Jahr für Tagesgeld ab gewissen Beträgen häufig noch ein „Verwahrentgelt“ fällig wurde, sind mittlerweile zwei Prozent Zinsen drin, mitunter sogar mehr. BANK & FONDS Einlagengeschäft 428 fondsprofessionell.de 1/2023 FOTO: © LUKAS GOJDA | STOCK.ADOBE.COM

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