FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023
Ein spürbar geringeres Maß an Bereitschaft zu Übereinkunft und Kooperation wird an vielen Stellen in der Welt zu Friktionen führen. Warum das nicht nur Politiker, sondern auch Investoren interessieren sollte, erklärt Anna Rosenberg vom Amundi Institute . A ngesichts der enormen geopoliti- schen Verschiebungen in der jünge- ren Vergangenheit wäre es fahrlässig anzu- nehmen, die Welt werde schon früher oder später wieder zu einer lange Zeit als gege- ben wahrgenommenen politischen Ord- nung zurück nden. Davon jedenfalls ist Anna Rosenberg, Leiterin der Abteilung Geopolitik im Amundi Institute, über- zeugt. Ein Gespräch. Frau Rosenberg, hatte Olaf Scholz recht, als er zu Beginn des Ukrainekriegs von einer „Zeitenwende“ gesprochen hat? Anna Rosenberg: Im Grunde weiß, glaube ich, jeder, was er damals gemeint hat, denn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war natürlich schon eine Art Wendepunkt – allerdings haben geopolitische Entwick- lungen bereits davor an Bedeutung gewon- nen, gerade auch für die Finanzmärkte.Die Ursprünge reichen schon weiter zurück. Wo verorten Sie denn diese Ursprünge? Aus meiner Sicht hat sich bereits mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA und den aufkommenden Diskus- sionen um das Brexit-Referendum zuneh- mend abgezeichnet, dass die Welt vor durchaus einschneidenden Veränderungen steht. Hinzu kam dann im Jahr 2020 der Ausbruch der Covid-Pandemie. Und seit dem 24. Februar 2022 sind wir eben mit einem Krieg konfrontiert, den, wenn man ehrlich ist, in dieser Art und in Bezug auf die daraus erwachsenen Konsequenzen wohl kaum jemand ernsthaft auf dem Zettel gehabt hat. Was schließen Sie daraus mit dem Blick nach vorn? Dass es fahrlässig wäre, der Annahme nach- zuhängen, man werde schon irgendwie wieder zur bekannten Weltordnung zu- rückkehren können. Die geopolitische Ent- wicklung ist vielmehr zu einer enorm wichtigen Triebfeder geworden, die viele Bereiche unseres Zusammenlebens in der Welt gerade massiv verändert. Denn man ist ja nicht nur als Privatperson in erhebli- chem Maße betroffen, Stichwort In ation. Gerade auch als Akteur in Wirtschaft und Börse und speziell auch als Investor bleibt man davon nicht verschont. Und es gibt genügend Zeichen, dass das auch in der absehbaren Zukunft noch so bleiben wird. Was sprechen Sie konkret an? Zu einer regelrechten Zäsur ist es in der jüngeren Zeit aus unserer Sicht in Bezug auf die Beziehungen zwischen den USA und China gekommen. Das Treffen zwi- schen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping am Vortag des G20- Gipfels im November vergangenen Jahres hat die amerikanische Seite noch mit den Worten kommentiert, es müsse keinen neuen Kalten Krieg geben. In der Folgezeit ist es aber zu einer Reihe von Ereignissen gekommen, die von chinesischer Seite klar als Demütigungen aufgefasst wurden. Wie zum Beispiel? Denken Sie nur an den Abschuss des chi- nesischen Heißluftballons, den Vorwurf, „Vor allem Europa könnte in Bedrängnis geraten“ » Zu einer regelrechten Zäsur ist es in Bezug auf die Beziehungen zwischen den USA und China gekommen. « Anna Rosenberg, Amundi Institute MARKT & STRATEGIE Anna Rosenberg | Amundi 162 fondsprofessionell.de 2/2023
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