FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2023
cherungsp ichtgrenze von 5.550 auf 5.775 Euro Bruttoeinkommen erhöht wird. Der Trend zur Einheitsversicherung hält also an. Auch wenn es bis mindestens 2025 nicht zur Abscha ung der PKV (Stichwort Bür- gerversicherung) kommt: Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Eindeutige Rechtslage Die Rechtslage ist allerdings eindeutig. Die PKV ist älter als das Grundgesetz und in dessen Grundrechtsordnung hineinge- wachsen. Eine Einheitsversicherung setzt voraus, dass die PKV die Krankenvollver- sicherung als Unternehmensgegenstand mittelfristig beendet. „Die bestehenden Ver- träge kann der Gesetzgeber gegen den Willen der Kunden nicht in die Bürgerver- sicherung überführen“, sagt der emeritierte Rechtsprofessor Udo Steiner. Dies wäre ein unzulässiger Eingri in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit der Versi- cherer und der Versicherten. „Ein solches verfassungsrechtliches Risiko würde der deutsche Gesetzgeber nicht eingehen“, ist der Jurist überzeugt, der zwölf Jahre lang Richter am Bundesverfassungsgericht war. Wenn der Gesetzgeber ein Angebot an die Bestandsversicherten zum Wechsel in die Bürgerversicherung machen und zu- gleich PKV-Neuabschlüsse un- tersagen würde, verbiete sich dies ebenfalls, meint Steiner. Denn das würde auf einen Ver- stoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit hinauslaufen.Der Gesetzgeber hat es seit Geltung des Grundgesetzes noch nicht gewagt, einer ganzen Branche ihren historisch gewachsenen, gesellschaftlich akzeptierten Ge- schäftsgegenstand zu nehmen. Für gesetzliche Regelungen der Krankenversicherung ste- hen dem Gesetzgeber Artikel 74 Absatz 1 Nr. 11 Grundgesetz (privatrechtliches Versicherungs- wesen) und Nr. 12 (Sozialversi- cherung) zur Verfügung. Diese beiden Zu- ständigkeiten als jeweils geschlossene Kom- petenzräume sind rechtlich voneinander abgegrenzt. „Der Gesetzgeber kann die jeweiligen Modelle nur systemkonform weiterentwickeln, aber nicht in ihrer Sub- stanz verändern, jedenfalls nicht ohne eine Verfassungsänderung“, argumentiert Steiner. Zudem könnte auch das Polster zur Bei- tragsentlastung der PKV-Versicherten im Alter, die sogenannten Altersrückstellun- gen, nicht einfach in die Einheitsversiche- rung übertragen werden. Sie gehören näm- lich den Versicherten. Ende 2022 waren dies gut 314 Milliarden Euro. PKV stützt das System Mit dem Kapitaldeckungsverfahren ent- lastet die PKV das gesamte Gesundheits- system. Allein die Privatpatienten sicherten das Überleben vieler Arztpraxen, argumen- tiert Carsten Zielke, dessen Analysehaus Zielke Research Consult eine Studie zum Thema erstellt hat. „Seit nahezu 30 Jahren wurde die Gebührenordnung nicht mehr angepasst, sodass jede Arztpraxis seit Mitte der 1990er-Jahre 53 Prozent des Realein- kommens pro Patient verloren hat“, sagt Zielke. Im Jahr 2021 trugen die privat Ver- sicherten laut PKV-Verband 20,4 Prozent zu den Erträgen der Arztpraxen bei, obwohl sie nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. „Sinnvoller wäre es also, die BBG in der GKV abzusenken, um den Wettbewerb zu fördern und damit das Gesundheitssystem zu stabili- sieren“, schlägt Zielke vor. Die PKV kann nach eigener Aussage bei der Beitragsent- wicklung der GKV gut das Wasser reichen, bei den Leis- tungen sowieso.Die PKV-Bran- che bezi ert die Beitragsstei- gerung in der Vollversicherung für 2023 im Schnitt auf 3,7 Prozent. Laut einem Preisver- gleich des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Kranken- versicherungen (WIP) nahm die Belastung der privat Ver- sicherten seit 2013 jedoch in geringeremMaße zu als in der GKV (siehe Gra k links). Teure Gesundheit Beitragsentwicklung indexiert, 2013 = 100 Die private Krankenversicherung hat sich verteuert – aber nicht so stark wie die gesetzliche Krankenversicherung. Quelle:PKV-Verband 100 % 110 % 120 % 130 % 140 % 150 % 2023 2022 2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 Gesetzliche Krankenversicherung (Beitragseinnahmen je Versicherten) Private Krankenversicherung (Prämieneinnahmen je Vollversicherten) 3,4 % p.a. 2,8 % p.a. » Jede Arztpraxis hat seit Mitte der 1990er- Jahre 53 Prozent des Realeinkommens pro Patient verloren. « Carsten Zielke, Zielke Research fondsprofessionell.de 4/2023 287 FOTO: © ZIELKE RESEARCH CONSULTANT
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