FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024
Gar nicht bissig Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) wird reformiert. Juristen hatten sich von der neuen Fassung mehr Biss erwartet. Doch bislang zeigt der Gesetzgeber nicht die Zähne. E s ist ein gutes Jahr her, dass der Start- schuss fiel: Am 16. März 2023 eröff- nete das Bayerische Oberste Landesgericht das Kapitalanlegermusterverfahren gegen EY, den Wirtschaftsprüfer des im Juni 2020 zusammengebrochenen Zahlungsdienst- leisters Wirecard, sowie gegen ehemalige Vorstände des Unternehmens. Das Ziel der Klägeranwälte: in einer Sammelklage Scha- denersatz für Tausende von mutmaßlich geschädigten Anlegern zu erstreiten. Inzwischen läuft das Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterver- fahrensgesetz (KapMuG) auf vollen Touren. Geführt wird es nach der KapMuG-Version aus dem Jahr 2019. Damals wurde das Gesetz zuletzt leicht überarbeitet. Jetzt aber steht eine General- überholung an. Da die aktuelle Fassung nur noch bis Ende August dieses Jahres gilt, hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 28. Dezember 2023 seinen Referentenentwurf für ein reformiertes KapMuG vorgelegt. Weil sich Verfahren dieser Art meist über viele Jahre hin- ziehen, ist das zentrale Anliegen des Ministe- riums eine Beschleuni- gung. So mancher Jurist hatte sich von der anste- henden Reform gleichzeitig jedoch auch mehr Biss für das KapMuG erhofft. Der Entwurf kommt aber alles andere als scharf daher. Und ob die geplanten Änderungen dem Verfahren mehr Tempo verleihen werden, ist fraglich. „Eine Beschleunigung möchte das BMJ unter anderem dadurch erreichen, dass bestimmte Fristen verkürzt werden“, sagt Christian Conreder, Rechtsanwalt und Lei- ter Kapitalanlagerecht in der Hamburger Niederlassung der Rechtsanwaltsgesell- schaft Rödl & Partner. Die erste Frist, die geändert werden soll, ist der Zeitraum zwischen dem Antrag auf Einleitung eines KapMuG-Verfahrens und dem sogenannten Vorlagenbeschluss. Be- antragt wird das Musterverfahren durch einen Anwalt oder auch mehrere Kanzl- eien beim Landgericht (LG) am Sitz des Beklagten. Im Fall Wirecard ist das Land- gericht München I zuständig. Sechs Monate Wartezeit „Für die Beantragung eines Musterver- fahrens muss dem LG ein erster Kläger ge- nannt werden“, erläutert Conreder. Die Klage wird dann im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers ver- öffentlicht. Im Fall Wirecard mussten innerhalb von sechs Monaten mindestens neun weitere Klagen mit gleichgerichteten Ansprüchen hinzukom- men. Erst danach konn- te das LG München I einen Vorlagenbeschluss erlassen. „Diese Frist soll nun auf zwei Monate ver- kürzt werden“, so Con- reder. „Im Sinne der Ver- fahrensbeschleunigung ist das durchaus positiv zu werten“, findet er. Martin Kühler, Anwalt bei der Tilp Rechtsanwalts- gesellschaft aus Kirchentellins- furt, sieht die geplante Änderung hinge- Niedlicher Kuscheltiger: Vor diesem Spielzeug- tier haben nicht einmal kleine Kin- der Angst. Auch das neue KapMuG dürfte Beklagten nicht mehr Furcht einflößen als die aktuelle Version. STEUER & RECHT Sammelklagen 426 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © PNG-UNIVERSE | STOCK.ADOBE.COM | GENERIERT MIT KI
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