FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2024

„Wenn man künftig auf bei anderen Instituten erhobene Daten zugreifen darf, dann würde das eine erhebliche Effizienz- steigerung bedeuten“, sagt Juchem. Bislang müssen Anlageberater bei jedem Neukun- den bekanntlich eine Identitäts- und Geld- wäscheprüfung vornehmen. „Könnte man in Zukunft auf die Prüfungen durch ande- re Institute referenzieren, ginge der Arbeits- prozess schneller, was auch die Produkt- kosten senken würde“, sagt er. Cross-Selling-Potenzial Juchem kann sich auch vorstellen, dass Open Finance neue Geschäftsmodelle er- möglicht. „Wenn eine Bank über sämtliche Finanzdaten eines Kunden verfügt, Finan- zierungen bei anderen Kredithäusern und Sicherheiten sieht, kann sie etwa viel leich- ter ‚Buy now, pay later‘-Modelle anbieten“, sagt er. Solche Onlinestrecken würden deutlich besser und schneller funktionie- ren, je mehr Informationen über den Antragsteller vorliegen. Auch würde Open Finance mehr Cross-Selling erlauben. „Ich habe schon den Eindruck, dass viele Bankkunden längst genervt davon sind, wenn sie die Daten zu all ihren Finanz- beziehungen in einem Excel-Sheet führen müssen“, sagt Juchem. Da könne Open Finance Abhilfe schaffen. „Und gerade die junge Klientel wünscht sich heute schon volle Transparenz über ihre Finanzdaten auf einen Blick“, sagt Juchem. Wer künftig eine gute Cockpit-App anbieten könne, werde in der offenen Finanzwelt eine starke Position haben, glaubt er. Auch Matthias Lais, Managing Director von Neosfer, dem Frühphaseninvestor der Commerzbank-Gruppe, ist überzeugt da- von, dass Kunden ihre Daten sehr bereit- willig zu Verfügung stellen werden, wenn der Nutzen für sie groß ist. Er hat sogar Ideen für neue Produkte, die Banken oder Versicherer künftig anbieten könnten. „Ich denke, wenn die offene Finanzarchitektur da ist, wird es immer weiter in Richtung Embedded Finance gehen“, sagt er. Dabei kooperieren Finanzdienstleister und Versi- cherer mit branchenfernen Unternehmen. „In Zeiten absoluter Datentransparenz könnte zum Beispiel eine Bank mit einem Mobilfunkanbieter zusammenarbeiten“, sagt Lais. „Wer die Grenze zu einem ande- ren Staat überquert, erhält nicht nur die gewohnte Roaming-SMS, sondern auto- matisch Informationen zu den gültigen Kreditkartenkonditionen. Auch Bargeldbe- zugspunkte und mögliche Versicherungen können direkt angeboten werden“, so Lais. Stellt die Bank fest, dass der Kunde noch keine Kreditkarte besitzt, kann diese direkt online beantragt und virtuell in die digitale Geldbörse geladen werden. „Das ist zwar noch Zukunftsmusik, denkbar sind solche Modelle aber durchaus“, sagt Lais. Thorsten Schrieber, Vorstandsmitglied bei DJE Kapital aus Pullach bei München, denkt erst einmal an Finanz- und Versiche- rungsprodukte, die es heute schon gibt. „Wenn Vermittler künftig alle Finanzdaten ihrer Klientel sehen, dann sollten sie dies dafür nutzen, ganzheitlich zu beraten und ihr Produktangebot breiter aufzustellen“, sagt er. „Wer bisher auf das Fondsgeschäft konzentriert war, könnte überlegen, auch Versicherungen oder Immobilienkredite anzubieten“, erklärt Schrieber. Dafür könn- ten Vermittler Kooperationen schließen. Beteiligungen eingehen „Bei uns ist das auch eine Überlegung“, berichtet Schrieber. Schließlich bietet DJE Kapital sowohl digitale als auch persönli- che Vermögensverwaltung an. „Wir müssen uns fragen, ob wir nicht vielleicht Beteili- gungen, etwa mit Versicherungsplattfor- men, eingehen sollten, um künftig ein ganzheitliches Produktangebot in petto zu haben“, so Schrieber. „Open Finance wird für den Vertrieb im positiven Sinne einen disruptiven Charakter haben“, glaubt er. Für Vermittler komme es nur darauf an, bereits jetzt ihr Produktangebot zu überdenken, Andreas Beys, Sauren: „In Europa könnte sich eine Dienstleistungssparte entwickeln, die Finanz- und Lebenscoaching vereint.“ Ulrich Juchem, DZ Privatbank: „Viele Bankkunden sind genervt, wenn sie die Daten zu all ihren Finanz- beziehungen in einem Excel-Sheet führen müssen.“ » Vermittler und Berater sollten Karteileichen wiederbeleben. « Thorsten Schrieber, DJE Kapital VERTRIEB & PRAXIS Open Finance 344 fondsprofessionell.de 2/2024 FOTO: © AXEL GAUBE | SAUREN FONDS-SERVICE, DZ PRIVATBANK

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