FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2024

sich, wenn nötig, neue Vertriebsnetzwerke aufzubauen und in Richtung Allfinanz- berater zu orientieren. „Vor allem aber soll- ten sie die Nähe zu ihren Kunden suchen und Karteileichen wiederbeleben,was auch bedeuten kann, dass sie die Beratungsqua- lität erhöhen müssen“, so Schrieber. Persönlicher „Finanzvorstand“ Ganz besondere Chancen kann die offe- ne Finanzwelt für Financial Planner mit sich bringen. Davon ist Sauren-Vorstand Beys überzeugt. „Diese Berufsgruppe ver- fügt ohnehin über umfassende Daten und Informationen ihrer Kunden“, sagt er. Wenn diese in Zukunft alle in einer einzi- gen App zusammenfließen, statt mehr oder weniger übersichtlich in Ordnern ab- gelegt zu sein, könnte sich ein Financial Planner als eine Art persönlicher „Finanz- vorstand“ für Anleger positionieren. „Es wäre dann möglich, für einen Kun- den einen Einnahme-/Überschussplan zu erstellen und jederzeit Abweichungen zu erkennen“, sagt Beys. Ohne Zugang zu den Zahlungsströmen ist das bisher nicht möglich. „Künftig kann der Finanzprofi viel schneller eingreifen, dem Kunden etwa erläutern, dass er inzwischen 1.000 Euro statt der einmal geplanten 500 Euro zu- rücklegen könnte, und ihn fragen, ob er eine Anpassung vornehmen möchte“, so Beys. Damit erweitern sich die Möglich- keiten der Kundenansprache. Während Financial Planner in Sachen Finanzen oft schon heute der Ansprech- partner Nummer eins für ihre Klientel sind,müssen sich viele freie Vermittler und Berater darum bemühen, es zu werden. „Neben einer guten Technik gehört dazu auch die Fähigkeit, Menschen zu führen“, erklärt Beys. Nur so werde es ihnen gelin- gen, ihren Kunden ein echtes „Financial Home“ zu bieten – und dies könnte eines Tages über die Finanzberatung weit hin- ausgehen. „In den USA entwickelt sich bereits das sogenannte Financial Wellbeing“,weiß Beys. Dabei lassen sich Verbraucher coachen, um ihre Finanzen aus einer ganzheitlichen Per- spektive zu betrachten. Dies soll zu finan- zieller Sicherheit und gleichzeitig zur Zu- friedenheit mit der individuellen Lebens- situation führen. „Wenn man einmal daran denkt, dass die EU-Datenstrategie vorsieht, in Zukunft unter anderem auch Gesund- heitsdaten transparent zu machen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sich eines Tages auch in Europa eine Dienstleistungs- sparte entwickeln wird, die Finanz- und Lebenscoaching vereint“, sagt Beys. Doch jetzt geht es für Berater und Vermittler erst einmal darum, sich einzustellen – auf Open Finance. ANDREA MARTENS FP » Wenn die offene Finanzarchitektur da ist, wird es immer weiter in Richtung Embedded Finance gehen. « Matthias Lais, Neosfer Die Möglichkeiten: Wie FIDA in der Praxis funktionieren kann Begriffsdefinitionen und Rechts- grundlagen zu kennen ist wichtig (siehe Kasten Seite 343). Allein ge- ben sie aber noch keine Vorstellung davon, welche neuen Möglichkeiten FIDA als Teil des Open-Finance- Projekts in der Praxis tatsächlich eröffnen kann. Dies verdeutlicht ein anschauliches Beispiel besser. Zugriff auf alle Finanzdaten: Angenom- men, ein Anleger hat ein Wertpapierdepot bei seiner Hausbank. Kauft er nun Anteile an einem weiteren Fonds bei einem anderen Institut, so könnte ihn der Berater fragen, ob er sich nicht einmal anschauen soll, wie er ins- gesamt finanziell aufgestellt ist. Willigt der Kunde ein, erhält der Berater Zugriff auf all seine Finanz- daten, die bei der ersten Bank online hinterlegt sind. So sieht er etwa auch, was der Anleger ver- dient oder wie viel er monatlich für die Miete ausgibt. Zunächst nicht zu erkennen: Was der Bankberater nicht sieht, sind Wertpapierdepots, die der Kunde vielleicht bei einem dritten Institut eröffnet hat, oder Versicherungsprodukte, die etwa bei einem freien Vermittler abgeschlossen wurden. Doch die FIDA-Pläne der EU gehen noch viel weiter. Kundencockpit-Apps: Angedacht sind sogenannte Cockpit-Apps. Ist der Kunde damit einverstanden, dass auch die Finanzdaten anderer Institute dort eingespielt werden können, erhält der Berater fortan einen kompletten und aktu- ellen Überblick über dessen gesamte Finanzen. Für den Anbieter einer Cockpit-App bedeutet dies Datenhoheit. Denn die vollständige Übersicht über sämtliche Finanzdaten ermöglicht ihm, immer wieder neue Angebote zu unterbreiten, etwa Fonds oder Policen durch andere auszutauschen oder zu ergänzen. VERTRIEB & PRAXIS Open Finance 346 fondsprofessionell.de 2/2024 FOTO: © MICHAEL ZELLMER | NEOSFER

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=