FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2025

Bundestag weitreichende fiskalpolitische Beschlüsse durchbringen (Anm.: bei Redak- tionsschluss noch nicht verabschiedet) . Wie bewerten Sie das Paket mit einem500-Mil- liarden-Euro-Sondervermögen für Infra- strukturinvestitionen und die Herausnahme der Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP aus der Schulden- grenze? Das ist genau das Programm, das Deutsch- land braucht.Wir müssen wesentlich mehr als bisher für unsere Verteidigung sowie für die Ukraine aufbringen. Auf den Schutz der USA können wir uns nicht mehr ver- lassen. Auch für unsere teils marode Infra- struktur müssen wir mehr Geld ausgeben. Das sind wichtige Investitionen in unsere Sicherheit und unsere Wachstumschancen. Allerdings dürfen Union und SPD hier nicht stehen bleiben. Allein mehr Geld ausgeben reicht nicht. Zusätzlich brauchen wir klare Reformen, um den Standort Deutschland zu stärken. Dazu gehören niedrigere Steuern für Unternehmen, eine Reform des Bürgergelds, Bürokratieabbau sowie eine sachgerechte Einwanderungs- und Energiepolitik, um nur einige Stich- worte zu nennen. Die künftigen Koalitio- näre haben noch viel zu tun. Sind solche Ausgaben noch zu stemmen oder setzt die künftige Bundesregierung damit die Solidität der deutschen Staats- finanzen aufs Spiel? Deutschland kann sich das leisten. In kaum einem Land ist der Staatshaushalt so solide aufgestellt wie bei uns. Zu den wenigen Ausnahmen gehören nur kleinere Länder wie Norwegen und die Schweiz. Auch mit den zusätzlichen Schulden wird bei uns die Schuldenquote, also das Verhältnis aus Staatsschulden zur jährlichen Wirtschafts- leistung, weit geringer sein als in den USA, Großbritannien sowie fast allen anderen Ländern der Eurozone. Im deutschen Wahlkampf wurde immer wieder mehr Milei und vor allem mehr Musk gefordert. Sind das wirklichVorbilder für Deutschland? Ich möchte diese beiden Namen in dem Zusammenhang nicht in den Mund neh- men. Außerdem ist Argentinien kein passender Vergleich: Das Land ist über 100 Jahre heruntergewirtschaftet worden, in Deutschland haben wir jetzt ein paar Jahre wirtschaftlicher Schwäche hinter uns. Bei uns ist nicht die Kettensäge, sondern das Skalpell gefragt, um gezielte Einschnitte vorzunehmen. Braucht es mehr deutsche oder mehr europäische Politik? Es wäre gut, wenn wir in Europa wesent- lich mehr gebacken bekommen würden, etwa in der Außen- und Verteidigungspoli- tik. Unter dem Druck der Annäherung zwischen Trump und Putin kommt Euro- pa hier jetzt offenbar endlich voran. Beim europäischen Kapitalmarkt, der für die Finanzierung unserer Unternehmen so wichtig ist, würde ich mir auch einige Fort- schritte wünschen. Beim Außenhandel ver- tritt die Europäische Kommission die EU ja immerhin einheitlich, sodass einzelne Länder hier nicht querschießen können. Aber unsere größten Wirtschaftsprobleme sind hausgemacht, etwa mit Blick auf Bürokratie, Digitalisierung oder Infrastruk- tur. Hier müssen wir erst einmal selbst unsere Hausaufgaben erledigen. Vielen Dank für das Gespräch. JOCHEN HÄGELE FP KURZ-VITA: Holger Schmieding Seine beruflichen Stationen führten Holger Schmieding unter anderem ans Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), zum Internationalen Währungsfonds (IWF) und zur Investment- bank Merrill Lynch. Seit 2010 ist Schmieding Chefvolkswirt der Hamburger Privatbank Berenberg. » Bei uns ist nicht die Kettensäge, sondern das Skalpell gefragt, um gezielte Einschnitte vorzunehmen. « Holger Schmieding, Berenberg FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH MARKT & STRATEGIE Holger Schmieding | Berenberg 132 fondsprofessionell.de 1/2025

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