FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2025
Rückwirkend kann ich Ihnen auch sagen, was die Lottozahlen vom letzten Samstag waren – das wäre ebenfalls ein gutes Invest- ment gewesen (lacht) . Nein, im Ernst: Es mag Branchen geben, die an der Börse gerade günstig bewertet erscheinen. Solche Sektorwetten gehen aber mit einem gro- ßen Risiko einher und sind daher in der Regel keine gute Idee. Quants wie wir schauen sich gern Risiken an – aus einem einfachen Grund: Das Risiko von heute ist in erster Annäherung auch das Risiko von morgen. Das gilt für den Ertrag nicht. Wenn eine Aktie heute eine Volatilität von 50 hat, hat sie die mit hoher Wahrschein- lichkeit morgen auch noch. Die Chance, dass eine Aktie, die sich im letzten Jahr verdoppelt hat, in den kommenden zwölf Monaten noch einmal um 100 Prozent zu- legt, ist dagegen gering. Das macht Risiken einfacher zu schätzen als Erträge. Darum achten wir darauf, dass unsere aktiven Anlageentscheidungen alle in etwa mit dem gleichen Risiko verbunden sind. Angenommen, neun von zehn unserer Wetten gehen auf, und eine geht schief. Dann möchten wir nicht, dass unsere eine schlechte Entscheidung alle anderen kaputt macht. Darum ist und bleibt Diversi ka- tion so wichtig. Sie hatten die drei Faktoren genannt, auf die Sie achten: Qualität, Bewertung und Momentum.Was ist mit den anderen, die in der Literatur rege diskutiert werden? Allen voran fallen einem da die Faktoren Low Volatility und Size ein, nach denen es sich langfristig lohnt, auf schwankungsarme Aktien und Titel kleinerer Unternehmen zu setzen. Den Faktor Low Volatility berücksichtigen wir nur, wenn der Kunde es explizit wünscht. Das Problem: Wer auf wenig volatile Aktien setzt, reduziert das Beta seines Portfolios, also die Sensitivität zum Aktienmarkt. Wenn mein Auftrag lautet, den MSCI World zu schlagen, ist eine Beta- Reduktion schwierig. Und was ist mit dem Size-Faktor, der es zugegebenermaßen in den vergangenen Jahren sehr schwer hatte? Dieser Faktor steht seit geraumer Zeit in der Diskussion. Denn auch wenn Neben- werte langfristig besser abschneiden als Standardwerte: Risikoadjustiert sieht das Ergebnis gar nicht so gut aus.Wir nehmen eine Aktie jedenfalls nicht nur deshalb auf, weil das Unternehmen klein ist. Der Titel muss darüber hinaus mit Blick auf einen der anderen Faktoren überzeugen. Das ist häu g auch der Fall: In unseren Portfolios nden sich daher regelmäßig mehr Neben- werte als in den entsprechenden Vergleichs- indizes. Wenn man von Qualität, Bewertung oder Momentum spricht, haben viele Anleger zwar bestimmte Kennzahlen oder Unter- nehmen vor Augen, genau definiert sind diese Faktoren aber nicht. Wie gehen Sie damit um? Das ist ein guter Punkt. Die nach Markt- kapitalisierung gewichteten Indizes ver- schiedener Anbieter ähneln sich sehr, weil es für die Marktkapitalisierung eine einheit- liche De nition gibt. Das gilt für die Fak- toren nicht. Deshalb können zwei Value- Indizes völlig unterschiedlich aussehen, auch wenn sie eigentlich den gleichen Markt abbilden sollen. Wir haben uns beim Bewertungsfaktor zum Beispiel kom- plett vom Buchwert gelöst. Warum das? Der Buchwert sagt mehr oder weniger aus, was zu erlösen wäre, wenn man die Firma heute schließen und ihr Inventar verkaufen würde. Aus Sicht eines Anlegers ist das eigentlich bizarr, schließlich investiert er, weil er an die Zukunft dieses Unterneh- mens glaubt.Der wesentliche Indikator mit Blick auf die Bewertung ist für uns daher der Cash ow, denn daraus werden letztlich die Kapitalerträge der Investoren bedient. Außerdem ist der Cash ow, anders als viele andere Kennzahlen, kaum manipulierbar. » Der wesentliche Indikator mit Blick auf die Bewertung ist für uns der Cashflow. « Erhard Radatz, Invesco FOTO: © CORNELIS GOLLHARDT MARKT & STRATEGIE Erhard Radatz | Invesco 162 fondsprofessionell.de 1/2025
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