FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2025

widrig, sagt der Staats- und Finanzrechtler Gregor Kirchhof von der Universität Augs- burg. In einem Gutachten warnt er: Steue- re die Sozialversicherung durch den demo- gra"schen Wandel absehbar auf eine Krise zu, sei der Gesetzgeber zu vorausschauenden Kursänderungen verp.ichtet. „Das Grund- gesetz fordert, die umlage"nanzierten Sys- teme zu erhalten“, erinnert Kirchhof.Näher- ten diese sich dem „demogra"schen Kipp- punkt“, an dem die Leistungsfähigkeit in Frage stehe, sei der Gesetzgeber verp.ichtet, die „Versicherungen zeitnah zu reformieren und eigenständig zu "nanzieren“. Grundlegende Reformen hat in den ver- gangenen 20 Jahren keine Bundesregie- rung konsequent verfolgt.Doch die Demo- gra"e schreitet weiter voran und verschärft inzwischen durch den Fachkräftemangel auch den P.egenotstand – trotz ständig steigender Eigenanteile der Heimbewoh- ner. „Im vergangenen Jahr mussten täglich zwei P.egeeinrichtungen Insolvenz bean- tragen oder schließen“, sagt Thomas Grei- ner, Präsident des Arbeitgeberverbands P.ege. Zahlreiche Einrichtungen mussten schon ihr Leistungsangebot einschränken. Was tun? Die GPV braucht eine grundsätz- liche Strukturreform, heißt es beim AOK- Bundesverband. Ob da die an- gekündigte Kostenübernahme des Bundes für versicherungs- fremde Leistungen ausreicht, sei nicht sicher. „Vor allem feh- len Reformideen auf der Aus- gabenseite“,moniert Carola Rei- mann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Reformideen Anregungen aus der Wissen- schaft gaben kürzlich zwei Gut- achten. Die Untersuchung des Bremer Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang plädiert für eine bedarfsorientierte Vollver- sicherungmit begrenzten Eigen- anteilen und den Umbau des jetzigen Systems, in dem ambulante und stationäre P.ege getrennt sind, bis 2030 mit wachsendem Steuerzuschuss. Dabei soll es auch einen Finanzausgleich zwi- schen gesetzlicher und privater P.egeversi- cherung geben. Naturgemäß widersprach der PKV-Verband. „Die Verfechter ignorie- ren die explodierenden Kosten der demo- gra"schen Alterung“, kritisiert Verbands- direktor Florian Reuther. „Kernproblem der P.egeversicherung ist das Umlagever- fahren, in dem immer weniger Jüngere für immer mehr ältere P.egebedürftige zahlen müssen. Da wäre es absurd, ausgerechnet das System zu schwächen, das auf die Demogra"e "nanziell vorbereitet ist.“ Das andere Gutachten stammt vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Autoren raten davon ab, Versorgungsversprechen und auch die Beitragsp.icht auszuweiten. „Eine Vollkos- tendeckung in der stationären P.ege wür- de zwar die Heimbewohner entlasten, ad hoc aber zu einem höheren Beitragssatz- niveau in der GPV führen, auf dem künftig steigende Finanzierungserfordernisse auf- satteln“, warnt Jochen Pimpertz, Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Siche- rung am IW. „Angesichts immer neuer De"- zite in den P.egekassen müssen die Kosten einer wenig tre sicheren Sozialpolitik ge- gen die Folgen stetig steigender Beitrags- sätze abgewogen werden“,meint er. Andere Wissenschaftler fordern ein Leistungsmora- torium in der GPV, eine Stär- kung des P.egevorsorgefonds, in den jährlich 0,1 Prozent- punkte der P.egebeiträge .ie- ßen, und das Heranziehen von Vermögen im P.egefall. Zusätzlicher Schutz Wie auch immer eine Re- form aussieht: Ohne Rückla- gen aus privatem Vermögen wird es für die Bürger nicht funktionieren, wollen sie im P.egefall nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. „In meiner zehnjährigen Tätigkeit als P.e- gegutachterin habe ich aber erst eine einzige Versicherte ge- tro en, die eine zusätzliche Mehr als verdoppelt Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung in % Vor 20 Jahren zahlten Arbeitnehmer mit Kindern noch 1,7 Prozent für die Pflegeversicherung. Jetzt sind es satte 3,6 Prozent. 1 seit2005Zusatzbeitrag fürkinderlose Versicherte,seitJuli2023Abschläge fürVersichertemitmehrerenKindern Quelle:Bundesministerium fürGesundheit 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 2025 2020 2015 2010 2005 1 2000 1996 Normaler Beitrag Beitrag für Kinderlose 4,2 % 3,6 % 1,7 % 1,7 % » Schon 2026 könne die Pflegeversicherung vor einer existenziellen Krise stehen. « Doris Pfeiffer, GKV-Spitzenverband fondsprofessionell.de 2/2025 275 FOTO: © GKV-SPITZENVERBAND

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