"Das gesamte Kapital wird von nur wenigen Unternehmen angesaugt"
Der Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart erörtert auf dem FONDS professionell KONGRESS mit Alexander Prawitz von Schroders und dem ehemaligen VW-Chef Herbert Diess Verheißungen und Gefahren der Private Markets.
Am zweiten Tag des FONDS professionell KONGRESSES diskutierte der Journalist Gabor Steingart mit Alexander Prawitz, Deutschlandchef von Schroders, und Herbert Diess, ehemaliger Konzernchef von Volkswagen und heute Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Infineon, über Vor- und Nachteile von Investments in Private Markets.
Die Investmentwelt sei fixiert auf Public Markets und auf Amerika, schickt Steingart der Gesprächsrunde voraus. "Das gesamte Kapital wird angesaugt von sehr wenigen Unternehmen in nur einem Land", pointiert der Journalist und stellt die Demokratisierung der Finanzmärkte als Gegenmodell in den Raum. An der Schnittstelle zwischen Private Markets und dem normalen Privatanleger fungiert derzeit am prominentesten der ELTIF mit den Assetklassen Private Equity, Private Debt und Infrastruktur.
"15 Milliarden US-Dollar verbrannt"
Entsprechend ging es in der Diskussion um viel bereits Gehörtes: In nicht gelistete Unternehmen zu investieren, sei eigentlich institutionellen Investoren vorbehalten gewesen, man könne mit Private Equity eine beträchtliche Rendite erzielen, die tägliche Kursfindung an den Public Markets mache die Anleger nervös, weil sie die vergleichsweise hohen Schwankungen in Echtzeit verfolgen könnten, was bei Investments mit monatlicher oder quartalsweiser Preisfeststellung nicht der Fall sei.
Eine ganze Zeit lang erschöpfte sich die Diskussion in Plattitüden à la: "Da gibt es einige Vorteile und schöne Diversifikationseffekte." Gleichwohl hat es sich gelohnt, der Runde zuzuhören, denn ein paar Formulierungen sorgten dann doch für Anschaulichkeit. Beispielsweise im Hinblick auf die unterschiedliche Investmentkultur in Europa und den USA. "Tesla hätte nicht in Europa geboren werden können, das Unternehmen hat 15 Milliarden US-Dollar verbrannt, bis die Cashflows positiv waren", sagte Diess. Und Prawitz sekundierte: "Der deutsche Anleger ist angstgetrieben, er ist eigentlich ein Bondanleger."
Nicht ständig berichten zu müssen, entlastet die Unternehmen
Der große Vorteil von Private-Equity-Anlagen sei, dass ihr Wertsteigerungsansatz vom Management konsistenter verfolgt werden kann, wenn er außerhalb der Öffentlichkeit stattfindet, erklärte Diess. "Für Unternehmen ist es eine Entlastung, wenn sie nicht vierteljährlich berichten müssen, sie können dann beispielsweise auch mal ein schlechtes Quartal aus strategischen Gründen in Kauf nehmen."
Die im Zusammenhang mit dem ELTIF derzeit interessanteste Frage stellte Prawitz: "Warum sehen wir eigentlich angesichts der vielen Vorteile, die wir hier diskutiert haben, nicht die entsprechenden Mittelzuflüsse?" Und er lieferte auch gleich die Antwort: "Es handelt sich um eine neue Anlageklasse, die erst noch eingeführt werden muss, die Berater müssen geschult und Abwicklungsprozeduren etabliert werden. Anbieter müssten ihre Vertriebspartner stärker an die Hand nehmen und mehr Bereitschaft zeigen, ihre Probleme und die ihrer Kunden zu lösen." (tw)