"Die Lyxor-Übernahme war für uns in Deutschland ein echter Glücksfall"
Amundi-Länderchef Christian Pellis im Interview mit FONDS professionell ONLINE über das Wachstum von Europas größtem Asset Manager in Deutschland und die Reaktion der Privatanleger auf die Börsenturbulenzen im vergangenen Jahr.
Im Vergleich zu anderen großen Vermögensverwaltern ist Amundi eine junge Firma: Der Pariser Asset Manager wurde erst 2010 gegründet, als die französischen Großbanken Crédit Agricole und Société Générale ihr Anlagegeschäft in einem Gemeinschaftsunternehmen bündelten. Doch das Haus expandiert rasch, auch anorganisch. Spätestens seit der Integration von Pioneer Investments 2017 gilt Europas größter Asset Manager auch hierzulande als wichtiger Player im Geschäft mit Privatanlegern. Die zum Jahreswechsel 2021/22 erfolgte Übernahme von Lyxor festigte diese Position noch. Christian Pellis, seit Januar 2021 Deutschland-Chef von Amundi, stellt sich den Fragen von FONDS professionell ONLINE.
Herr Pellis, die Fondsbranche blickt auf ein schwieriges Jahr 2022 zurück. Das zeigt sich auch an den Zahlen der Amundi Deutschland GmbH, die in der Investmentstatistik des BVI zu finden sind. Demnach zogen Anleger hierzulande im Gesamtjahr 2022 unterm Strich rund 700 Millionen Euro aus Wertpapierpublikumsfonds Ihres Hauses ab. Zwischenzeitlich lag das Minus deutlich höher, denn allein im vierten Quartal verzeichneten Sie 9,2 Milliarden Euro Zuflüsse.
Christian Pellis: Diese Zahlen möchte ich einordnen, denn sie sind zwar korrekt, zeichnen aber nicht das vollständige Bild der Assets von Amundi in Deutschland. Hierzu muss man wissen, dass zum einen in der BVI-Statistik nur ein Teil unseres Geschäfts zu finden ist, beispielsweise fehlen das ETF-Segment und einige große Mandate für institutionelle Kunden. Zum anderen werden die Zahlen zu den Publikumsfonds, die Sie erwähnten, von den Geldmarktprodukten verzerrt. Diese Fonds nutzen die Treasury-Abteilungen zahlreicher Unternehmen, um ihre Liquidität zu steuern, entsprechend volatil ist das Mittelaufkommen. Blendet man das Treasury-Geschäft aus, lagen die Nettomittelzuflüsse von Amundi im deutschen Markt im vergangenen Jahr bei neun Milliarden Euro. 2022 haben wir damit positiv abgeschlossen und ein besseres Ergebnis geliefert, als es angesichts der Turbulenzen zu erwarten gewesen wäre. Etwa zwei Drittel der Zuflüsse stammen von institutionellen Investoren, das restliche Drittel entfällt auf Privatanleger.
Wie sah das Verhältnis im Vorjahr aus?
Pellis: 2021 war ein enorm starkes Jahr. Damals betrug das Nettomittelaufkommen etwa 14 Milliarden Euro, wozu institutionelle und Retail-Kunden jeweils grob die Hälfte beisteuerten.
Unsere Leser interessiert insbesondere das Retail-Segment. Wie haben sich die Privatanleger im vergangenen Jahr denn verhalten?
Pellis: Erstaunlich ruhig angesichts der schlechten Nachrichten, die die Schlagzeilen dominiert haben. Als der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann, haben wir zunächst noch keine große Reaktion seitens der Privatanleger wahrgenommen. Erst als ab dem Sommer die steigende Inflation und der rasante Anstieg der Energiepreise eine immer größere Rolle spielten, wurden die Kunden unruhiger. Sie haben aber keineswegs panisch ihr Geld abgezogen. Gezeigt hat sich die Skepsis eher darin, dass sie kaum neue Investments tätigten. Offensichtlich haben in den vergangenen Krisen viele gelernt, dass es besser ist, negative Börsenphasen auszusitzen, statt auf jede Kursbewegung zu reagieren. Das ist meiner Meinung nach auch ein Verdienst der Anlageberater, die in den letzten Jahren viel Aufklärungsarbeit geleistet haben.
Bleiben die Anleger auch dann noch cool, wenn sie in den nächsten Wochen ihre Energiekostenabrechnung und den Depotauszug für 2022 im Briefkasten finden?
Pellis: Das ist die spannende Frage. Das vergangene Jahr schlossen alle großen Anlageklassen deutlich im Minus ab. Wer das schwarz auf weiß sieht, geht natürlich mit anderen Fragen ins Gespräch mit seinem Anlageberater als in den Vorjahren, als ein dickes Plus in der Vermögensübersicht stand. Noch merken wir jedoch keine besondere Zurückhaltung. Die Mittelzuflüsse in diesem Jahr bewegen sich jedenfalls auf einem zufriedenstellenden Niveau.
Hat sich denn etwas geändert mit Blick auf die Frage, welche Fonds bei den Privatanlegern auf Interesse stoßen?
Pellis: Ja, besonders im Drittvertrieb gibt es eine interessante Änderung: Noch vor nicht allzu langer Zeit konnten wir dort fast ausschließlich mit unseren Aktienfonds punkten. Mittlerweile sind auch bestimmte Rentenfonds wieder gefragt, weil mit ihnen im Gegensatz zu den Vorjahren wieder attraktive Renditen zu erzielen sind.
Auf dem Papier mag die Rendite stimmen, aber ein Inflationsausgleich gelingt mit Anleihen dennoch schwerlich.
Pellis: Das stimmt. Es ist aber ein Unterschied, ob ich nach einem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Plus von drei Prozent verzeichnen kann, was lange Zeit nicht möglich war, oder ob ich weiterhin nur auf Aktien setze, wo am Jahresende auch mal ein zweistelliges Minus droht. Die eigentliche Botschaft ist, dass es sich mittlerweile wieder lohnt, ausbalancierte Portfolios zu konstruieren. Die Zeiten, in denen es reichte, sich ein paar Aktien-ETFs ins Depot zu legen, sind vorbei. Der Kunde braucht in einem deutlich volatileren Umfeld definitiv ein besseres Verständnis von den Märkten und den einzelnen Assetklassen sowie Produktoptionen oder eben wieder mehr Beratung als früher.
Laut BVI-Statistik liegt das in Deutschland abgesetzte Volumen der Amundi-Publikumsfonds bei gut 40 Milliarden Euro. Wie groß ist die Summe, wenn man alle Geschäftsfelder berücksichtigt?
Pellis: In Summe haben wir Ende 2022 rund 107 Milliarden Euro für Kunden aus Deutschland verwaltet, was uns zu einem der größten Anbieter am hiesigen Asset-Management-Markt macht. Damit sind wir zwar wohl noch nicht unter den Top-Five zu finden, mit Sicherheit aber unter den Top-Ten.
Spiegelt sich das auch in der Zahl der Mitarbeiter wider?
Pellis: Ja, manchen dürfte überraschen, wie groß unser Team hierzulande ist: Mittlerweile haben wir 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland.
Das liegt nicht nur, aber auch an der zum Jahreswechsel 2021/22 abgeschlossenen Übernahme von Lyxor, richtig?
Pellis: Die Lyxor-Übernahme war für uns in Deutschland ein echter Glücksfall, insbesondere für das ETF-Geschäft. Das gilt zum einen natürlich für die Produktpalette, zum anderen aber auch für den Vertrieb. Amundi ETF hatte sich im Retail-Segment früher auf die großen Banken konzentrieren müssen. Durch Lyxor haben wir die Kapazitäten gewonnen, die nötig sind, um auch mittelgroße und kleinere Banken und Online-Broker betreuen zu können. Unser Sales-Team für den Drittvertrieb und das ETF-Geschäft besteht mittlerweile aus 20 Kolleginnen und Kollegen, die im Hintergrund noch durch unser Client-Service-Team unterstützt werden. Das ermöglicht es uns, auch in der Fläche guten Service zu bieten. In Deutschland ist das wichtig, weil der Fondsvertrieb hier völlig anders funktioniert als in anderen europäischen Ländern. In Frankreich muss ein Asset Manager in Paris vertreten sein, in Großbritannien in London, in Italien in Mailand und Rom. In Deutschland muss man dagegen in sieben, acht oder neun Städten und Regionen Präsenz zeigen, wenn man etwas erreichen möchte. Und das tun wir.
Vielen Dank für das Gespräch. (bm)