Ex-Bundeskanzler Schröder: Nachhaltigkeit ist mehr als nur Klimaschutz
Der Begriff Nachhaltigkeit werde derzeit oft auf ökologische Themen verengt. Eine vernünftige Nachhaltigkeitspolitik müsse aber auch soziale und ökonomische Aspekte umfassen, sagte Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder in seiner Eröffnungsrede auf dem 19. FONDS professionell KONGRESS in Mannheim.
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt für die Vermögensverwaltung zu Recht an Bedeutung. Doch auch wenn der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels zweifellos eine sehr wichtige Aufgabe und derzeit ein bestimmendes Thema ist, sei es falsch, den Begriff der Nachhaltigkeit allein auf die Ökologie zu beschränken. Dies sagte Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder in seiner Rede, mit der er am heutigen Donnerstag (29. Januar) den 19. FONDS professionell KONGRESS im Mannheimer Congress Center am Rosengarten eröffnete. Schröder sprach auf Einladung des Fondsanbieters Fidelity International.
"Zukunftsfähig wirtschaften heißt, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine ökologisch, gesellschaftlich und ökonomisch intakte Welt hinterlassen wollen", erklärte Schröder. Eine Debatte darüber, wie nachhaltiges Investieren dazu beitragen kann, sei unbedingt notwendig. Schon während seiner Amtszeit von 1998 bis 2005 habe Nachhaltigkeit eine große Rolle gespielt. Allerdings habe die damalige Bundesregierung darunter nicht allein die Beschäftigung mit dem Klimawandel verstanden. "Wir haben es zu einer Querschnittsaufgabe gemacht, die alle Ressorts beschäftigte, nicht nur das Umweltressort", so Schröder.
Nachhaltigen Wandel herbeigeführt
Auf diese Weise habe die rotgrüne Konstellation einen echten Wandel herbeigeführt. "Man könnte auch sagen, einen nachhaltigen Wandel", erklärte der Ex-Bundeskanzler. Zur damaligen Nachhaltigkeitspolitik habe etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso gezählt wie die Steigerung der Energieeffizienz, der Ausstieg aus der Atomkraft und die Umsetzung einer Klimaschutzpolitik, zu der sich während Schröders Amtszeit zahlreiche Industrieländer im Kyoto-Protokoll verpflichtet hatten.
Mittlerweile haben sich mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erfreulicherweise alle Mitgliedstaaten den 17 visionären Zielen des Programms verschrieben. "Wir leben aktuell aber in einer Welt, in der multilaterale Beschlüsse zunehmend umgangen oder ausgehebelt werden", mahnte Schröder. Als Beispiel nannte er den US-Präsidenten Donald Trump, der internationale Vereinbarungen infrage stelle, zum Beispiel durch den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen.
Alleingänge können nicht funktionieren
"Wir dürfen einer Politik, die auf Populismus, Ausgrenzung und Isolierung setzt, nicht folgen", forderte Schröder. Stattdessen müssten sich Deutschland und Europa weiterhin für friedliche Lösungen von Konflikten und den Ausgleich von Interessen einsetzen. "Wir müssen weiterhin für offene Gesellschaften, einen fairen und freien Welthandel, für Klimaschutz und für den Respekt für jeden einzelnen Menschen einstehen", sagte der Ex-Bundeskanzler. Auch beim Thema Nachhaltigkeit sei unbedingt eine europäische und eine internationale Strategie zu wählen. Die Bewältigung der Folgen des Klimawandels könne schließlich kein Staat im Alleingang lösen.
Nachhaltigkeit lediglich auf Umwelt und Klima zu beschränken, sei auch für Investoren nicht die richtige Auslegung des Themas. "Nachhaltigkeit, so wie ich es verstehe und wie es ursprünglich gedacht war, ist ein Begriff, der Umwelt, Soziales und Ökonomisches gleichberechtigt umfasst", sagte Schröder. "Ich kann Investoren nur ermutigen, sich zu engagieren, um Unternehmen weiterzuentwickeln und in direktem Dialog auf den Schutz der Umwelt, die Einhaltung sozialer Standards und eine gute Unternehmensführung zu drängen", sagte er.
"Disvestment" ist der falsche Weg
Das sogenannte "Disvestment", also den Abzug von Investitionen aus Unternehmen, deren Aktivitäten als klimaschädlich betrachtet werden, hält Schröder hingegen für einen falschen Weg. Die Industrieländer, vor allem aber aufstrebende Staaten wie China oder Indien könnten trotz eines Ausbaus der erneuerbaren Energien und einer verbesserten Energieeffizienz in den nächsten Jahrzehnten nicht auf fossile Energieträger verzichten. Um die Emissionen im Einklang mit den internationalen Klimazielen zu reduzieren, sei es daher wichtig, dass als klimaschädlich eingestufte Unternehmen etwa durch technologische Fortschritte besser würden. Sie müssten gestärkt statt geschwächt werden. "Hierzu braucht es auch den Dialog mit kritischen Investoren", erklärte Schröder.
Er verwies dabei auf den norwegischen Staatsfonds. Dieser investiere erklärtermaßen nach ethischen und nachhaltigen Gesichtspunkten, schließe Unternehmen, die fossile Energieträger fördern und verarbeiten, aber nicht aus. Der Grund: "Diese Unternehmen tätigen schließlich zugleich große Investitionen in erneuerbare Energien", gab Schröder zu bedenken.
Ein "Disvestor" bringt Unternehmen nicht weiter
Das russische Mineralölunternehmen Rosneft, dessen Aufsichtsrat Schröder vorsitzt, engagiere sich, um die Erforschung, Produktion und Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe voranzutreiben. "Um langfristig CO2-neutral fliegen zu können, bedarf es der Entwicklung alternativer Kraftstoffe und Antriebe sowie einer politischen Unterstützung, um deren Anwendung marktfähig zu machen", so der Alt-Bundeskanzler. Es sei von großer Wichtigkeit, in Unternehmen die Entwicklung innovativer Technologien anzustoßen. "Doch das kann nur ein Investor tun, kein Disvestor", mahnte er.
Zudem sollte eine vorausschauende Nachhaltigkeitspolitik auch auf sozial verträgliche Lösungen achten, die Wirtschaftsstandorte weltweit nicht gefährden, nicht zu Massenarbeitslosigkeit und Krisen führen. "Eine Klimapolitik, die das nicht im Auge behält, wird in einer demokratisch verfassten Gesellschaft keinen Erfolg haben", konstatierte der ehemalige Bundeskanzler.
Große Verantwortung für Investoren
Nachhaltige Politik schaffe die Voraussetzungen für ein gutes und menschenwürdiges Leben in Frieden, Sicherheit und Wohlstand – in Deutschland, in Europa und weltweit. Politik und Wirtschaft – Investoren wie Unternehmer – hätten hierbei eine große Verantwortung. "Diese sollten sie gemeinsam wahrnehmen, sie sollten ihre Ressourcen bündeln, um sie für Zukunftsaufgaben einzusetzen", sagte Schröder. (am)