"Es ist nicht üblich, als Schiedsrichter mit Applaus begrüßt zu werden!" Schon als Urs Meier die Bühne betritt, wird klar, dass der frühere Profi-Referee nicht das erste Mal vor Publikum spricht. "Angespannte Lage? Verantwortung übernehmen!", ist sein Vortrag überschrieben, den er auf Einladung von PGIM Investments auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim hält. Das passt natürlich hervorragend nicht nur zu seinem früheren Job, sondern auch auf die undurchsichtige Gemengelage an den Finanzmärkten, durch die Anlageberater ihre Kunden derzeit lotsen müssen.

27 Jahre lang arbeitete Meier als Schiedsrichter, er leitete in dieser Zeit mehr als 800 Spiele. Pro Begegnung, so der Schweizer, treffe ein Schiedsrichter 250 bis 300 Entscheidungen. Bei sogenannten Schwarz-Weiß-Entscheidungen, also etwa der Frage, ob der Ball hinter der Torlinie war oder nicht, leiste die Technik gute Dienste. In vielen anderen Fällen dagegen nicht, da sei Fingerspitzengefühl gefragt. Klar ist nur eines: "Entscheidungen sollten fair sein." Nur: Was heißt eigentlich fair? "Vom anderen her denken", meint Meier. "Wenn ich beim anderen objektiv betrachtet einen Schaden anrichte, war die Entscheidung wahrscheinlich nicht fair." Das gelte nicht nur im Profifußball, sondern eben auch im Geschäftsleben.

"Der gute Schiedsrichter pfeift schneller als das Publikum"
Wer Meier zuhört, entdeckt weitere Parallelen zwischen Stadion und Büro: Sowohl Schiedsrichter als auch Finanzprofis müssen damit umgehen können, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. "Im Zweifelsfall der Intuition vertrauen, also darauf, was der Bauch sagt", rät er aus eigener Erfahrung. Wichtig ist ihm vor allem, überhaupt eine Ansage zu machen. "Führungskräfte haben Entscheidungen zu treffen!", appelliert er an sein Publikum. "Ein Schiedsrichter leitet ein Spiel und pfeift es nicht nur. Genauso muss ein Abteilungsleiter seine Abteilung auch wirklich leiten."

Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es jedoch auch Unterschiede. "Der gute Schiedsrichter pfeift schneller als das Publikum", zitiert Meier ein Bonmot aus seiner Referee-Ausbildung. Im Vergleich dazu tut ein Finanzberater wohl gut daran, sich zunächst ein umfassendes Bild von seinem Kunden zu machen, bevor er entscheidet, wie dessen Altersvorsorge aussehen sollte. (bm)