Herbert Diess: "Deutschland braucht wieder einen Plan"
Der ehemalige Auto-Manager und heutige Infineon-Aufsichtsratschef Herbert Diess wirft der deutschen Politik Führungslosigkeit vor. Soll das Land wirtschaftlich wieder Anschluss an die Weltspitze finden, müssen klare Konzepte her, sagte er auf dem FONDS professionell KONGRESS.
Deutschland braucht endlich wieder eine klare politische Linie, um wichtige technologische Entwicklungen wirtschaftlich nutzen zu können, statt sie zu verpassen und Ländern wie China zu überlassen. Diese Auffassung vertrat der Aufsichtsratsvorsitzende von Infineon, Herbert Diess, in einer Diskussion mit Lupus-Alpha-Investmentchef Götz Albert beim FONDS professionell KONGRESS.
"Wir haben seit 20 Jahren eigentlich keinen Plan, wie wir unser Geschäftsmodell weiterentwickeln wollen", erklärte der ehemalige Auto-Manager, der unter anderem Vorstandsvorsitzender von Volkswagen war. Unter der Regierung von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), zu deren Zielen Wachstum nicht gehört habe, sei die Republik nahezu "eingeschlafen". "Und jetzt schafft es die Ampel-Koalition nicht, sich zusammenzuraufen und einen Plan zu machen", sagte Diess. Genau das sei jedoch enorm wichtig, wenn die deutsche Wirtschaft wieder Anschluss an die Weltspitze finden soll.
Hin und her kostet Wirtschaftsleistung
"Das Rein und Raus in Elektroautos, in die Solarenergie, dieses Suchen der Bundesregierung nach einer Position im Konflikt zwischen den USA und China – all das kostet Kraft und Wirtschaftsleistung", so Diess. Zu Recht schauten Nachbarn wie Österreich derzeit besorgt nach Deutschland. "Wir haben weltwirtschaftlich enorme Bedeutung, da machen sich schon viele Sorgen", sagte der ehemalige VW-Vorstand. Daher sei ein Konsens mit der Politik jetzt unerlässlich.
"Wir müssen festlegen, welchen Weg die deutsche Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren nehmen soll", forderte Diess. "Wir müssen heute unsere Zukunftsmärkte bestimmen, müssen etwa entscheiden, ob wir bei Elektroautos führend werden wollen – oder nicht", befand er. Andernfalls würde Deutschland Wachstumsmärkte erneut an China abgeben. "Und das Land ist etwa in Zukunftsbereichen wie Solar, Windkraft, Batterien und Elektrofahrzeugen heute schon gar nicht mehr wegzudenken", mahnte der Ex-Manager.
Klare Position beziehen
Die Politik in Berlin solle zudem eine klare Position im Konflikt zwischen dem Reich der Mitte und den USA einnehmen. "Eine werteorientierte Außenpolitik, wie wir sie momentan betreiben, wird von breiten Bevölkerungsschichten wahrscheinlich mitgetragen", so Diess. "Aber sie kostet Deutschland Wachstum im Vergleich zu früheren Dekaden, als wir in der Welt einfach Geschäft gemacht und manches auch toleriert haben", sagte er.
Käme es zu einer Blockbildung zwischen China und den USA, würde diese überwiegend Deutschland als exportorientierte Nation treffen. Auch die Tatsache, dass auf der Welt rund 50 Militärkonflikte entbrannt sind, sei klar an die Politik zu adressieren. "Wo sind die Politiker, die deeskalieren, die Konflikte lösen, die Frieden schaffen, den wir als Basis für das deutsche Geschäftsmodell brauchen?", fragte der Infineon-Aufsichtsratschef.
Makro-Risiken für kleine Unternehmen weniger problematisch
Die von Diess kritisierte "Führungslosigkeit" der Politik sowie Makro-Risiken, etwa eine Wiederwahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten, seien für große Konzerne ein Problem. Für kleine und mittlere Unternehmen gelte dies weniger, erklärte Lupus-Alpha-Investmentchef Götz Albert. "Die Unternehmen, in die wir investieren, können so etwas hinnehmen, denn sie sind zum Glück so flexibel, dass sie sich neu ausrichten", erklärte er. Solange ihnen politisch keine Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, ließen die Small- und Mid-Cap-Firmen Politik einfach Politik sein.
Anders sehe es allerdings aus, wenn hierzulande Parteien an die Regierung kämen, die eine Rückbesinnung auf das "Deutschsein" vertreten und mit dem Gedanken spielen, die Europäische Union zu verlassen. "Dann wird es gefährlich, auch für Small- und Mid-Caps", sagte Albert. Ein Rückzug ins Nationale sei überhaupt keine Alternative. "Das würde enorm viel Wachstum kosten", erklärte er.
Über Subventionen neu nachdenken
Auch Albert äußerte die Auffassung, die Bundesregierung müsse mehr über echte Konzepte sprechen, eine langfristige Wachstumsstrategie und klare Ziele formulieren. Einig waren er und Diess sich zudem darin, dass es notwendig sei, die Vergabe von Subventionen zu überdenken. Diese sollten in neue, vielversprechende Technologien fließen, statt Bereiche zu fördern, die bald der Vergangenheit angehören dürften.
"Die Welt wird sich in den nächsten 20 Jahren sehr schnell verändern", sagte Diess. "Wir werden uns vom fossilen Zeitalter verabschieden, Energie wird enorm günstig werden, das Thema Digitalisierung wird uns alle betreffen", gab er zu bedenken. Gerade in Sachen künstliche Intelligenz sei die Politik gut beraten, sich eine Vorstellung von künftigen Entwicklungen zu machen – und zu planen. "Wenn man sich aber nicht auf einen Plan einigen kann, dann endet das Ganze im Chaos", konstatierte der Ex-Manager. (am)