Podiumsdiskussion: Deutschland verspielt seine Zukunft
Jens Ehrhardt, Hendrik Leber und Andreas Grünewald analysierten beim FONDS professionell KONGRESS, welche Risiken derzeit an den Kapitalmärkten lauern und welche Chancen sich Anlegern bieten.
Endlich mal wieder gute Zeiten für Deutschlands Stromversorger: Das wäre eine Überraschung, die Hendrik Leber (Acatis) im Börsenjahr 2019 für nicht ausgeschlossen hält. "Ein umfangreicher Stromausfall in Deutschland könnte den Unternehmen Aufwind bescheren", sagte er in der Diskussionsrunde mit seinen Kollegen Jens Erhardt (DJE Kapital) und Andreas Grünewald (FIVV). Beim diesjährigen FONDS professionell KONGRESS in Mannheim analysierten die Börsenprofis auf Einladung des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VuV), welche Risiken in Zeiten globaler Umbrüche an den Kapitalmärkten lauern – und welche Chancen sich bieten.
Chancen sieht Leber bei Unternehmen, die in der IT-Sicherheit tätig sind. "Das wird ein ganz großes Thema werden", zeigte er sich überzeugt. Grünewald, der auch VuV-Vorstandsvorsitzender ist, hält Festgeldanlagen in Renminbi 2019 für erfolgversprechend. "Investoren bieten sich hier guten Zinsen, auf Eurobasis winken zusätzlich kleine Währungsgewinne", sagte der Experte. Ehrhardt warnte indes vor negativen Überraschungen, die 2019 in erster Linie von den Schulden US-amerikanischer Unternehmen ausgehen könnten. "Um keine Probleme zu bekommen, sollte man auf Qualitätsaktien und –anleihen setzen", mahnte er.
"Wir verzetteln uns hier"
Einig waren sich die Börsenprofis darin, dass Europa auf dem besten Wege ist, den Anschluss an Asien zu verpassen. "Wir verschlafen, wie im Osten die Sonne aufgeht", sagte Grünewald. In Asien kämen Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung rasant voran. "Und wir verzetteln uns hier, denken über Griechenland und ähnliche Dinge nach, das ist unglaublich", befand Grünewald.
Deutschland verpasse Chancen vor allem aufgrund eines "krankhaften Sparzwangs", konstatierte Ehrhardt. "Wir müssen Geld ausgeben für Investitionen in zukunftsweisende Technologien", forderte er. Würde die Bundesregierung Stimuli für die Wirtschaft setzen und dafür zumindest im geringen Umfang neue Schulden machen, würde das auch den Importen zugute kommen. "Dann ginge es unseren Nachbarn besser, und wir würden nicht so hart angegriffen", sagte Ehrhardt. "Stattdessen kümmern wir uns nur um die Luftreinhaltung oder darum, wie viele Migranten wir aufnehmen sollen. Das sind keine Zukunftsthemen."
"Zuschlagen und langfristig investiert bleiben"
Im Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI) sowie in der Biotechnologie erkennt Hendrik Leber 2019 glasklare Chancen. Grünewald blickt trotz aller Probleme und Krisen optimistisch nach Asien, vor allem nach China. "Unser Schwerpunkt sind zwar große internationale Unternehmen, aber wenn man in solche Konzerne investiert, muss man nach Asien schauen", sagte er. Dort laufe schließlich das Geschäft auf Hochtouren. "Trauen Sie sich, gerade bei einem Rücksetzer wie zuletzt, zuzuschlagen und langfristig investiert zu sein", empfahl Grünewald.
Ehrhardt brach eine Lanze für Aktien als Anlageform schlechthin und speziell für deutsche Titel. Ein Blick auf die Kursvariante des Dax zeige, dass dieser etwa 15 Prozent unter dem Hoch aus dem Jahr 2000 liege. "Die Gewinne der Dax-Unternehmen und die Dividenden haben sich seitdem aber mehr als verdoppelt, die Titel sind also nicht teuer, sondern sehr günstig", sagte Ehrhardt. Gute substanzhaltige Aktien seien nach wie vor attraktiv. "Man muss nicht nur auf FANG-Titel setzen", so Ehrhardt. (am)