Ihre Aussage ließ an Eindeutigkeit nichts vermissen: "Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist schlechter als die Stimmung", sagte Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, auf dem Podium, das den ersten Tag des 23. FONDS professionell KONGRESSES eröffnete. Zur Situation der deutschen Wirtschaft und den Perspektiven des Landes wurde Grimm von niemand Geringerem befragt als dem scharfsinnigen und wortgewandten Entertainer Harald Schmidt.

Nachdem die Corona- und Energiekrise die hiesige Wirtschaft extrem geschwächt haben, schlage nun der demografische Wandel richtig zu. "Die Babyboomer gehen zunehmend in Rente, dadurch sinkt das Arbeitsvolumen, was wiederum das Produktionspotenzial drückt", erklärte die Wirtschaftsweise. Die ungünstige Demografie werde dazu führen, dass dieses Potenzial künftig nur noch um 0,4 Prozent pro Jahr wachse. Im Vergleich zu den 2010er-Jahren sei das gerade einmal ein Drittel.

Deutschland muss wieder attraktiv werden
"Es ist möglich, das zu kompensieren, aber dafür müssen wir investieren", sagte Grimm. "Deutschland muss für etablierte und junge, aufstrebende Unternehmen wieder ein attraktiver Standort werden", forderte sie. Erreichen ließe sich dies unter anderem durch eine Senkung der Unternehmens- und Einkommensteuer, durch Investitionen in Aus- und Weiterbildung und den Ausbau der Kinderbetreuung. "Vernünftige Ausbildung ist wichtig, damit den Firmen gute Fachkräfte zur Verfügung stehen", sagte Grimm. Zudem könnten Bundesbürger nur dann stärker am Arbeitsleben teilhaben, wenn sie für ihren Nachwuchs zuverlässige Betreuungsangebote vorfinden. Eine Gesellschaft funktioniere schließlich auch besser, wenn mehr Menschen in Arbeit und in Kontakt mit anderen seien.

Auch mit Blick auf die private Altersvorsorge sei Bildung entscheidend. "Wir Deutschen sind ja nicht besonders risikoaffin, um Berührungsängste mit den Kapitalmärkten zu verringern, ist es wichtig, Kinder schon in der Schule an Finanzthemen heranzuführen", so Grimm. Ein staatliches Startkapital für jedes Kind hält Grimm für eine gute Idee. Der Vorschlag der Grünen, eine Sonderabgabe auf Dividenden einzuführen, sei hingegen kontraproduktiv.

Die Schuldenbremse muss bleiben
Um Investitionen im Sinne der Energiewende in flexible Kraftwerke und den Netzausbau voranzutreiben, könnten Mittel aus Reformen der sozialen Sicherungssysteme, etwa beim Arbeitslosengeld, dem Bürgergeld und der Rente, kommen. Hier fänden sich Spielräume. Die Schuldenbremse sollte maximal reformiert, jedoch nicht abgeschafft werden. "Deutschland befindet sich im präventiven Arm des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und muss mit der EU-Kommission einen Schuldenabbaupfad vereinbaren", sagte Grimm. Andere Länder der Europäischen Union hätten dies bereits getan, die Bundesrepublik müsse noch liefern.

Um die Transformation hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen, müssten Unternehmen generell durchaus technologieoffener werden. Dafür müssten sie aber auch eindeutige Vorgaben bekommen. "Zuerst sollte sich die Politik auf ein klares Ziel für die Reduktion der CO2-Emissionen verständigen", sagte Grimm, die seit 2024 Professorin für Energiesysteme und Marktdesign an der Technischen Universität Nürnberg ist. Dann könne man es den Firmen überlassen, wie sie zur Zielerreichung beitragen. "Es dürfen aber nicht mit jeder Regierung neue Vorgaben eingeführt werden, die Unternehmen brauchen hier Sicherheit", erklärte Grimm. (am)