Wirtschaftsforscher Bofinger: "Geschäftsmodell im Gegenwind"
Wirtschaftsforscher Peter Bofinger glaubt, dass die deutsche Wirtschaft sich angesichts der massiven Veränderungen und Herausforderungen neu erfinden muss. Dabei kann der Staat seiner Meinung nach mehr aktive Hilfestellung leisten, wie er auf dem FONDS professionell KONGRESS erklärte.
Immerhin eine gute Nachricht hat Peter Bofinger: "Die Inflationsraten sehen gar nicht so schlecht aus", sagt der profilierte Wirtschaftsforscher der Universität Würzburg beim FONDS professionell KONGRESS in seinem Vortrag auf Einladung von Generali Investments. Das ebnet der Europäischen Zentralbank (EZB) seiner Einschätzung nach den Weg zu den von Markt und Wirtschaft erhofften Zinssenkungen. Allerdings liegen die wahren Probleme tiefer, so der Ökonom. Er sagt: "Deutschlands volkswirtschaftliches Geschäftsmodell erfährt enormen Gegenwind."
Für Bofinger, ehemaliges Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, basiert Deutschlands Geschäftsmodell auf dem Automobilbau im Zentrum, der Industrie allgemein und dem Export als weiterem Wirtschaftsmotor. Damit profitierte Deutschland überproportional vom Globalisierungsboom der vergangenen Jahrzehnte, in dem der Welthandel weitaus stärker stieg als die Wirtschaftsleistung. Doch mit der Deglobalisierung, der Neuausrichtung von Lieferketten und dem Übergang von Verbrenner- zu E-Antrieben geraten alle Ebenen des Businessmodells unter Druck, so Bofinger.
Schuldenbremse als Wachstumsbremse
Seit fünf Jahren stagniere die deutsche Wirtschaft inzwischen, so seine Diagnose. Als Antwort fordert er eine Neuausrichtung des Wirtschaftsmodells, bei dem die Transformation im Zentrum stehen soll. Eine wichtige Rolle dabei schreibt er – anders als manche anderen Ökonomen – dem Staat zu. Die Beispiele USA und China zeigten, dass der Staat durchaus in der Lage sei, langfristig zu planen und die Weichen zu stellen. "Wir brauchen Industriepolitik, und wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse", fordert Bofinger.
Die Schuldenbremse des Grundgesetzes sieht Bofinger als Wachstumsbremse, mit der sich der Staat die Möglichkeiten nimmt, wichtige Investitionen zu fördern. Die Kreditfinanzierung staatlicher Nettoinvestitionen hält er für sinnvoll. Ein weiterer Vorschlag: Die Schuldenbremse so umzuformulieren, dass sie nicht in absoluten Euro-Beträgen annähernd gleich bleiben muss, sondern nur in Relation zur Wirtschaftsleistung. (jh)