Anlagestratege: Störfeuer aus dem Weißen Haus ausblenden
Für Mathias Beil steht fest: Unter US-Präsident Donald Trump hat die alte Börsenweisheit "Buy the rumor, sell the fact“ ausgedient. Denn die Grenzen von Fakt und Gerücht lösen sich auf. Klarsicht liefert nach seiner Meinung nur die Fundamentalanalyse.
Der April ist nach Meinung von Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank, eine Lektion in Sachen Trump-Ökonomie gewesen. Beispiel Nummer eins: Nach Trumps "Liberation Day" mit massiven Zollankündigungen brachen die Märkte zweistellig ein. Doch kurz danach ruderte Trump zurück: Auf Maximalforderungen folgten versöhnliche Töne und angebahnte Deals, so Beil. Die Folge: Die Börsen atmeten auf, eine kleine Erholungsrally kam.
Auf Trumps Fakten folgt die Realität
Das gleiche Muster zeigte sich, als Trump zur Monatsmitte den Notenbankchef Jerome Powell kritisierte, dessen Kompetenz infrage stellte und eine mögliche Absetzung andeutete. Für Beil ein Tabubruch mit Wirkung: Der S&P 500 verlor in drei Tagen rund sieben Prozent. Wieder folgte das Zurückrudern. Keine Absetzung, alles ein Missverständnis. "Der Index steht nun sogar über dem Stand von Mitte April", stellt Beil fest.
Für ihn ist klar: "Es waren noch nie nur harte wirtschaftliche Daten oder langfristige Analysen, die den Takt an der Börse vorgeben. Es waren schon immer Gefühle oder eben Gerüchte, die Investoren zu Käufen oder Verkäufen bewegten." Oft deuten sie spätere Fakten an. Das habe sich unter Trump aber im doppelten Sinne umgekehrt.
Andere Wahrheit in allem Chaos
Trumps Fakten seien oft nicht mehr als Gerüchte, Testballons, Ankündigungen, die zum Verkauf veranlassen, wie die Einführung der Zölle. "Seine Kehrtwendungen sind die neuen Fakten", sagt Beil. Doch auch deren Halbwertzeit sei begrenzt, werden sie doch mit Verfallsdaten versehen: "90 Tage sind Zölle verschoben, in 30 Tagen wird entschieden, noch diese Woche fällt eine Entscheidung. So oder ähnlich klingen die Ankündigungen – und zurück bleiben Verunsicherung und Volatilität."
Doch in all dem Chaos zeigt sich seiner Meinung nach auch eine andere Wahrheit: "Wer Ruhe bewahrt, fährt oft besser." Mit Trump lohne es sich nicht länger, das Gerücht zu kaufen und deren Erfüllung zu verkaufen, sagt Beil: "Es wird eine Wiederbelebung der langfristigen Betrachtung der Unternehmen, der einzelnen Aktien geben." Trumps Ankündigungen sollten eher als lästiges Störfeuer gesehen werden – die wirklichen Fakten liefert die Fundamentaleinschätzung. (jh)