Die Eindeutigkeit, mit der das britische Parlament gestern den zwischen Premierministerin Theresa May und der EU ausverhandelten Brexit-Deal abgeschmettert hat, sorgte nicht nur für Überraschung, sondern auch für Sorgenfalten. Der deutsche Wirtschaftsweise Lars P. Feld, der beim FONDS professionell KONGRESS in Mannheim vor Ort sein wird, findet dafür sehr klare Worte.

"Massiver Einbruch": Warnung vor einer Rezession auch in Deutschland
Nach der Entscheidung gegen den vorliegenden Brexit-Deal werde das Szenario eines ungeordneten Brexits immer wahrscheinlicher, so Feld gegenüber FONDS professionell ONLINE. "Dies würde für die britische Wirtschaft einen massiven wirtschaftlichen Einbruch bedeuten. Die ökonomischen Nachteile für die EU wären deutlich geringer, wobei sie für Deutschland spürbar wären", sagt Feld. Ein harter Brexit hätte "durchaus das Zeug, hierzulande eine Rezession nach sich zu ziehen".

Mit Kritik an den handelnden Personen spart er nicht. "Man hat den Eindruck, dass die britischen Politiker sich schlafwandlerisch auf den Abgrund zubewegen – und das aus sehr durchsichtigen wahltaktischen Motiven", sagt Feld. "Ich fürchte, dass sie nur teilweise die Tragweite erkennen, weil es immer noch Brexiteers gibt, die behaupten, dass der Brexit wirtschaftliche Vorteile für das Vereinigte Königreich hätte. Leider glauben zu viele britische Politiker immer noch diesem Märchen", so der Ökonom.  

"Es sieht aus, als würde der Himmel einstürzen"
Die britische Politik-Insiderin Karan Ward, ehemals ökonomische Chefberaterin der britischen Regierung und nun EMEA-Chefstrategin bei J.P. Morgan AM, kann das Unverständnis der Beobachter verstehen. Ein Brexit ohne Deal, den sie kürzlich gegenüber FONDS professionell ONLINE als unwahrscheinlich bezeichnet hatte, sei aber weiter nicht in Sicht. "Es sieht klar so aus, als würde der Himmel einstürzen in unserem politischen System", so Ward bei einer kurzfristig einberufenen Konferenz mit professionellen Investoren. Betrachte man jedoch die Motivationen hinter dem Abstimmungsergebnis, könne man klar sehen, dass es weiter "keine Mehrheit für einen harten Brexit gibt".

"Exit vom Brexit" wird wahrscheinlicher
Man müsse sich vor Augen halten, dass von den 650 Parlamentsmitgliedern rund 100 Konservative deshalb gegen den vorliegenden Deal gestimmt haben, weil sie eine komplette Unabhängigkeit von der EU wollen, so Ward. Dieser Minderheit gehe der Brexit-Vertrag nicht weit genug, weshalb sie ein No-Deal-Szenario als bessere Option erachtet.

Dem gegenüber haben 200 konservative Abgeordnete die Premierministerin unterstützt und unter den restlichen über 300 Mitgliedern anderer Parteien haben die meisten nur deshalb gegen den Deal gestimmt, "weil der Brexit ihnen zu hart ist. Sie wollen engere Bande zur EU", so Ward. "Das zeigt uns, dass das Risiko nicht ein No-Deal-Brexit ist, sondern, dass es eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen No-Brexit gibt". (eml)