Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte sich angesichts globaler Unsicherheiten nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegen. Das sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel am Montag (23.6.) und verwies auf die unberechenbare US-Handelspolitik sowie die angespannte Lage im Nahen Osten.

"Der derzeit größte Unsicherheitsfaktor für unseren zukünftigen geldpolitischen Kurs ist – neben der Entwicklung im Nahen Osten – zweifellos die unberechenbare US-Handelspolitik", sagte Nagel in einer Rede am Walter-Eucken-Institut in Freiburg.

Nagel: EZB sollte flexibel bleiben
Laut Nagel ist "nicht nur unklar, wie stark die Effekte ausfallen könnten. Es ist letztlich sogar ungewiss, ob die US-Handelspolitik auf den Euroraum inflationär oder disinflationär wirken wird." Die EZB sollte daher weiter "auf Flexibilität und Datenabhängigkeit setzen".

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuvor erklärt, dass sich der Zyklus geldpolitischer Lockerungen seinem Ende nähert. Die Notenbank hatte den Leitzins über zwölf Monate von vier auf zwei Prozent gesenkt. Während einige Währungshüter ein Ende des Zyklus sehen, halten andere weitere Schritte für notwendig, um das Wachstum zu stützen.

Hohe Unsicherheiten 
Die EZB rechnet mit einer schrittweisen wirtschaftlichen Erholung in den kommenden Jahren, sieht jedoch hohe Unsicherheiten. Der Krieg in der Ukraine und die jüngste Eskalation im Nahen Osten verschärfen die Abwärtsrisiken.

Nagel, der als eines der falkenhaftesten Ratsmitglieder gilt, erklärte, die EZB befinde sich derzeit "in einer guten Position beim Zinsniveau, um die weitere Entwicklung der Inflation abzuwarten". Zur Frage, ob die laufende Bilanzverkürzung mit einer Zinssenkung kollidiere, äußerte sich Nagel gelassen. Die Auswirkungen des Auslaufens der Wertpapierankäufe auf den geldpolitischen Kurs seien begrenzt. Zudem werde dieser Effekt beim Festlegen des Leitzinsniveaus bereits berücksichtigt.

"Das Eurosystem steuert den geldpolitischen Kurs zurzeit wirksam über die Leitzinsen", sagte er. "Wir können die geldpolitischen Ankaufprogramme folglich unbesorgt weiter passiv auslaufen lassen." (Bloomberg/fp)