Nach dem Scheitern der Regierung Michel Barnier blickt Frankreich unsicheren Zeiten entgegen, meint Daniel Hartmann, der Chefvolkswirt des Asset Managers Bantleon. Ein Misstrauensvotum, das von der linken Volksfront eingebracht und vom rechten Rassemblement National (RN) unterstützt wurde, war am Mittwoch (4.12.) erfolgreich. Damit scheiterte auch die Verabschiedung eines Haushalts für das Jahr 2025.

Präsident Emmanuel Macron muss einen neuen Premierminister ernennen. Dies könnte erneut Barnier sein. "Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es dieses Mal ein Sozialist wird, der ein neues Bündnis zwischen der gemäßigten Linken und dem Zentrum schmiedet", meint Hartmann. Aufgrund der kurzen Fristen dürfte die neue Regierung nicht in der Lage sein, noch vor dem Jahresende ein neues Haushaltsgesetz für das Jahr 2025 durch das Parlament zu bringen, so der Ökonom. Um handlungsfähig zu bleiben, müsse die Regierung nun ein Sondergesetz verabschieden, das es ihr ermöglicht, den Haushaltsplan des Vorjahres fortzuschreiben. "Dies bedeutet unter anderem, dass pro Monat nur ein Zwölftel der Ausgaben des Vorjahres getätigt werden dürfen", erläutert Hartmann. "Außerdem wird die Einkommensteuertabelle nicht automatisch an die Inflation angepasst, was sonst üblich ist."

"Die Hängepartie wird anhalten"
Wegen des zersplitterten Parlaments dürfte es die neue Regierung erneut schwer haben, eine stabile Mehrheit an Abgeordneten hinter sich zu versammeln. "Es drohen in den nächsten Monaten neue Misstrauensvoten", sagt Hartmann. Die Nationalversammlung kann frühestens ein Jahr nach der letzten Parlamentswahl aufgelöst werden – also nicht vor dem 8. Juli 2025. "Die aktuelle Hängepartie wird folglich noch über ein halbes Jahr anhalten", betont der Volkswirt.

Solange kein neues Haushaltsgesetz verabschiedet sei, zeichne sich eine sehr restriktive Fiskalpolitik ab. "Schließlich sind die Ausgaben dann auf dem Niveau des Vorjahres gedeckelt", erinnert Hartmann. Außerdem komme es durch die ausbleibende Anpassung der Einkommensteuertabelle an die Inflation zu einer "heimlichen Steuererhöhung". "Dies wird zu erheblicher Verunsicherung unter den Verbrauchern beitragen", befürchtet der Bantleon-Chefvolkswirt.

Die Unsicherheit lastet auf der Wirtschaft
Der endgültige Haushalt für 2025 dürfte dann aber weniger Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vorsehen als das geplante Budget der Regierung Barnier. "Sowohl die Linken als auch die Rechten haben deutlich gemacht, dass ihnen die Haushaltskonsolidierung zu weit geht", erläutert der Ökonom. Das Haushaltsdefizit dürfte daher höher ausfallen als ursprünglich geplant. Der Aufwärtstrend der Staatsverschuldung von Frankreich, die derzeit gut 110 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmache, werde somit aller Voraussicht nach anhalten. Diese Gemengelage schlägt sich auch auf die Konjunktur nieder, erwartet Hartmann. Er rechnet damit, dass das Wachstum im kommenden Jahr eher unter als über einem Prozent liegt.

"Es ist sicherlich noch nicht so weit, dass Frankreich im politischen Chaos versinkt und die finanzielle Situation völlig aus dem Ruder läuft", sagt Hartmann. "Dennoch ist ein Ende der politischen Krise derzeit nicht in Sicht." Gleichzeitig hätten sich die Wachstumsaussichten eingetrübt und es drohten Rating-Herabstufungen. "Der Druck auf die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen sollte daher in den nächsten Monaten nicht nur anhalten, sondern wird sich aller Voraussicht nach verstärken." Der Chefvolkswirt von Bantleon hält es für "sehr wahrscheinlich", dass die Risikoaufschläge zehnjähriger französischer Staatsanleihen zumindest zeitweise über die jüngsten Höchststände von 88 Basispunkten steigen. Mit einem schnellen Eingreifen der Europäischen Zentralbank rechnet Hartmann indes nicht. (fp)