Europäische Aktien dürften laut führenden Analysten kaum weiteres Aufwärtspotenzial bieten. Strategen von Citigroup, Société Générale und anderen Häusern rechnen damit, dass die Kurse bis Jahresende stagnieren oder leicht nachgeben – belastet durch geopolitische Spannungen, schwache Unternehmensgewinne und politische Unsicherheiten.

Eine Umfrage der Nachrichtenagentur "Bloomberg" unter 18 Strategen prognostiziert, dass der Stoxx Europe 600 zum Jahresende bei durchschnittlich 560 Punkten notieren wird – das entspräche einem Rückgang von rund einem Prozent gegenüber dem aktuellen Stand. Société Générale rechnet mit einem möglichen Rückfall auf 530 Punkte, während Citi einen leicht optimistischeren Wert von 570 Punkten sieht.

USA-China-Streit und Frankreich-Krise belasten
"Wir sehen nur begrenzte Kursgewinne in Europa, da die jüngsten Nachrichten aus China und die Berichtssaison für Volatilität sorgen könnten", sagte Citi-Strategin Beata Manthey. Sie erwartet erst zur Jahresmitte 2026 eine nachhaltige Erholung. "Entscheidend für einen Aufwärtstrend wird die Gewinnentwicklung der Unternehmen sein."

Handelskonflikte zwischen den USA und China sowie die politische Krise in Frankreich haben die europäischen Märkte in diesem Jahr in einer engen Spanne gehalten. Hinzu kommt: Europas geringere Exponierung gegenüber dem KI-Boom ließ die globale Tech-Rally am Kontinent weitgehend vorbeiziehen.

Anleger bleiben vorsichtig – aber nicht pessimistisch
Trotz der Unsicherheiten zeigen sich manche Investoren verhalten optimistisch. Eine Bank-of-America-Umfrage ergab, dass viele Anleger eine mögliche Rally verpassen könnten, sollten sie ihre Positionen in europäischen Aktien zu stark reduzieren.

Auch JP-Morgan-Analyst Mislav Matejka sieht Chancen: Er hat europäische Aktien jüngst von "Neutral" auf "Übergewichten" hochgestuft und hält an seinem Jahresendziel von 580 Punkten fest – was einem Plus von rund zwei Prozent entsprechen würde.

Saisonale Trends sprechen für eine Jahresendrally
Historisch betrachtet spricht die Statistik für eine Erholung im vierten Quartal. Laut "Bloomberg"-Daten stieg der Stoxx 600 in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 3,6 Prozent in den letzten drei Monaten – das beste Quartalsergebnis im Jahrzehnt.

Barclays-Analyst Emmanuel Cau sieht "Nachholpotenzial, da Bewertungen wieder günstig sind und sich die Fundamentaldaten in der Euro-Peripherie verbessern". Dennoch bleibt sein Ziel von 570 Punkten nahezu unverändert.

Prognosen reichen von 500 bis 600 Punkten
Während UBS mit einem Zielwert von 600 Punkten am optimistischsten ist (entspricht einem Zuwachs von rund 6 %), bleibt TFS Derivatives mit einem Kursziel von 500 Punkten der größte Pessimist.

Société-Générale-Stratege Roland Kaloyan erwartet, dass politische und geopolitische Risiken sowie ein fehlender Gewinnimpuls die Märkte weiter belasten: "Wir gehen davon aus, dass die Märkte bis Jahresende unter Druck bleiben." Sein Kursziel von 530 Punkten impliziert einen Rückgang um fast sieben Prozent.

Langfristig zeigt er sich jedoch optimistischer: "2026 könnten fiskalische Impulse und eine weiterhin lockere Geldpolitik die europäischen Aktienindizes stützen." (mb/Bloomberg)