Im Kampf gegen die Inflation in der Eurozone hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde beim Weltwirtschaftsforum in Davos weitere Zinserhöhungen angekündigt. Die Teuerung sei trotz des jüngsten Rückgangs nach wie vor "viel zu hoch", so Lagarde. Nun warnte auch EZB-Ratsmitglied Klaas Knot in einem Interview mit dem niederländischen Sender WNL mit klaren Worten: "Rechnen Sie damit, dass wir im Februar und März die Zinsen um je 50 Basispunkte erhöhen und dass mehr Schritte im Mai und Juni folgen." 

Zinsgipfel dürfte über 3,25 Prozent liegen
Seit Juli 2022 hat die EZB den Einlagenzins in bislang vier Schritten von minus 0,5 auf zwei Prozent Mitte Dezember erhöht. Nach günstigeren Inflationszahlen für Dezember hatten Anleger gehofft, dass künftige Zinsschritte geringer ausfallen und der Gipfel bald erreicht sein könnte. Dem versetzten die jüngsten EZB-Aussagen nun einen Dämpfer. Die Entwicklung der Leitzinsen wird am Markt aufmerksam beobachtet. Besonders Wachstumsaktien und Immobilienwerte sind extrem zinsabhängig.

Kurz vor Knots Äußerungen hatten Analysten in einer Reuters-Umfrage noch zwei Zinserhöhungen um je 50 Basispunkte Anfang Februar und Mitte März erwartet und damit gerechnet, dass die EZB den Zinsgipfel im zweiten Quartal bei einem Einlagesatz von 3,25 Prozent erreichen dürfte. Nun scheint es, als sei der Zinsgipfel nicht nur weiter entfernt, sondern auch höher. 

Notenbanker beschneiden mit ihren Aussagen den eigenen Spielraum
Die EZB steht zugleich vor dem Problem, dass die Inflation in Europa zu einem großen Teil auf Energiekosten zurückzuführen ist. Auf diese hat die Notenbank aber kaum Einfluss. Daher interpretieren manche Experten die jüngsten Aussagen auch als Versuch, Zweitrundeneffekten etwa in Form höherer Lohnabschlüsse energisch entgegenzuwirken.

Doch mit ihren klaren Ansagen setzen die EZB-Vertreter auch ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Sollte die Inflation in den kommenden Monaten deutlich nachgeben, werden sie sich schwer tun, ohne Reputationsverluste wieder von ihrer Zinslinie abzurücken. "Die EZB kann sich nicht den Luxus leisten, ihre Meinung so oft zu ändern wie die Märkte", sagt Danske-Bank-Volkswirt Piet Christiansen.

Staatsanleihen-Schwemme könnte Renditen steigen lassen
Bereits auf ihrer letzten Sitzung im Dezember hatte die EZB zudem angekündigt, fällig werdende Anleihen aus ihrem Anleihekaufprogramm (APP) ab März nicht mehr vollständig zu reinvestieren. Damit dürfte sie pro Monat 15 Milliarden Euro aus ihren APP-Beständen von insgesamt rund 3,3 Billionen Euro abbauen. Die fälligen Anleihen des 1,7 Billionen Euro schweren Pandemienotfallprogramms (PEPP) will die EZB vorerst weiter voll reinvestieren. Wie stark sich der allmähliche APP-Rückzug auf die Rentenmärkte in diesem Jahr auswirken wird, ist umstritten.

Aufgrund der zunehmenden Staatsverschuldung erwarten Anleiheexperten aber ohnehin ein deutlich zunehmendes Angebot im Euroraum. Die britische Bank Barclays rechnet damit, dass das Nettoangebot an Staatsanleihen 2023 den Rekordwert von fast 500 Milliarden Euro erreichen wird. In der Folge des höheren Angebots und des Rückzugs der EZB sind stärkere Renditeschwankungen am Markt für Euro-Staatsanleihen möglich. (jh)