Die Schlagzeilen zu "Greenwashing" haben zuletzt die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Anlageprodukte in Frage gestellt, meint Andrea Greisel vom Asset Management der Fürst Fugger Privatbank. Sie verweist in einem Marktkommentar auf ein breites Spektrum an Definitionen und Bewertungsmethoden, die unter dem Begriff "ESG" zusammengefasst werden. Am 2. August tritt die Erweiterung der Mifid II in Kraft, die eine zwingende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Anlegers vorsieht. Gleichzeitig arbeitet der europäische Gesetzgeber an der Taxonomieverordnung, einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten.

"Beim nachhaltigen Investieren klaffen der gesetzgeberische Anspruch und die Wirklichkeit noch relativ weit auseinander", betont Greisel. "Als alleinige Entscheidungshilfe für eine Allokationsausrichtung eignet sich die Taxonomieverordnung aus heutiger Sicht noch nicht." So würden bislang nur die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel überhaupt von der Taxonomie definiert. Hinzu komme, dass es noch zu wenige relevante Daten gebe. "Die Unternehmen müssen erst ab 2023 die regulierten Datensätze veröffentlichen", erläutert Greisel.

Außerdem gebe es kaum Unternehmen, die die Taxonomieziele zu 100 Prozent erfüllten. Viele Branchenbeobachter gingen daher davon aus, dass erst in mehreren Jahren mit einer aussagekräftigen Basis für die Taxonomie zu rechnen sei. "Wer jetzt schon auf Basis der Taxonomieverordnung investiert, der geht unter Rendite-Risikogesichtspunkten ein erhebliches Klumpenrisiko ein", betont die Portfolioexpertin.

Healthcare-Titel als Beimischung
Dabei wären jetzt schon klare Vorgaben erforderlich, so Greisel. "In der Gesellschaft vollzieht sich gerade ein Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit." Auch der Wunsch nach weniger Abhängigkeit von russischen Rohstoffen treibe den Ausbau erneuerbarer Energien voran. Der genaue Weg sei allerdings noch unklar: "Eine umfassende Umschichtung von Kapital in nachhaltige Anlagen ist mit Risiken verbunden, bietet aber auch historische Anlagechancen", sagt die Bankerin.

Über einen längerfristigen Zeithorizont betrachtet, sieht Greisel Sektoren im Vorteil, die von dieser Umstellung profitieren. Das seien nicht nur die Wind- oder Solarenergie, sondern auch Zukunftstechnologien im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellen. "Eine geeignete Beimischung könnten Healthcare-Unternehmen sein, da diese relativ wenig CO2-Emissionen aufweisen und zu einer Verbesserung der Lebensqualität und Gesundheit der Menschen beitragen", erläutert sie. "Auch die Möglichkeiten der Übergangsfinanzierungen lassen sich durch grüne Anleihen, sogenannte Green Bonds, nutzen." (fp)