Nach Einschätzung von Jan-Patrick Barnert, Senior Strategist bei "Bloomberg", war es selten so gefährlich, gegen die bullische Anlegerstimmung zu spekulieren. "Eine Wette gegen den Markt fühlt sich derzeit so riskant an wie kaum je zuvor", erklärt Barnert.

Zwar sei das Potenzial für einen kurzfristig starken Rückgang zweifellos vorhanden, doch fehle ein konkreter Auslöser – ebenso wie gute Gelegenheiten, um Short-Positionen sinnvoll aufzubauen. "Wer zu früh verkauft, riskiert, binnen weniger Tage durch 'Buy the Dip'-Käufe ausradiert zu werden", so der Stratege.

"Extrem überkaufte" Märkte – aber kein Trendbruch in Sicht
Obwohl die Märkte "extrem überkauft" erscheinen, gebe es derzeit kaum Anzeichen für eine nachhaltige Trendwende. Zwar gelte es, einige Druckpunkte zu beachten, doch laut Barnert "erscheint es unwahrscheinlich, dass sie groß genug sind, um die Entwicklung am Aktienmarkt derzeit signifikant zugunsten der Bären zu verändern". Wieso der Gesamtmarkt als "extrem überkauft" bezeichnet werden kann, zeigt nachfolgende Übersicht (Werte des Relative Strength Index, RSI, über 70 signalisieren einen "überkauften" Markt).

Um einen Abverkauf in Gang zu setzen, müsste sich die Marktmechanik deutlich verändern – etwa durch eine Kombination aus sinkender Liquidität, steigender Volatilität und Umschichtungen bei systematischen Investoren.

Was eine Trendwende auslösen könnte
Barnert hält mehrere Szenarien für denkbar, die eine Verkaufswelle auslösen könnten: etwa ein unerwarteter Gewinneinbruch, eine schwächere Konjunktur oder der Verlust des Vertrauens in die Handlungsfähigkeit der Zentralbanken. Auch das Ende der KI-Euphorie könnte ein Auslöser sein.

Doch kurzfristig sieht der Experte dafür keine Anzeichen – FOMO ("Fear of missing out") sei derzeit zu ausgeprägt: "Die Angst, noch mehr von der Rally zu verpassen, bleibt der stärkste Treiber. Selbst riskantere oder qualitativ schwächere Aktien werden weiter gekauft", so der "Bloomberg"-Stratege.

Fazit: Kurzfristig fehlen die Voraussetzungen für eine Trendwende. Die Liquidität bleibt hoch, die Euphorie ungebrochen – und die Bären müssen weiter zusehen, wie der Markt davonläuft. (mb/Bloomberg)