Nicht nur Anleger stochern phasenweise im Nebel, sondern auch Notenbanker. So scheint es derzeit jedenfalls mit Blick auf die US-Notenbank mit Jerome Powell an der Spitze. Von ihm erhoffen sich nicht nur Politiker wie US-Präsident Donald Trump rasche Zinssenkungen. Das Problem: Das Umfeld könnte sowohl in Richtung höherer Inflation kippen als auch in Richtung Rezession – schlimmstenfalls beides zugleich: eine Stagflation. "Es besteht echte Unsicherheit, und diese besteht aus drei Ebenen", sagt Sonal Desai, CIO Fixed Income bei Franklin Templeton.

Zölle, Wirtschaft, Politik
Neben der Zukunft der Zölle steht die wirtschaftliche Unsicherheit und dazu kommt das politische Gemenge aus Zöllen, Deregulierung und Steuersenkungen. Wie die Fed reagiert, wenn es tatsächlich zu einem Stagflationsschock kommt, dürfte davon abhängen, ob sich die Beschäftigung oder die Inflation als das größere Problem herausstellt, meint Desai. 

Sie erwartet, dass die Priorität der Fed darin bestehen wird, sich gegen die Inflationsauswirkungen der Zölle zu stemmen, um Zweitrundeneffekte zu verhindern. "Powell hat dies angedeutet, und das macht durchaus Sinn, wenn man bedenkt, dass die Inflation nun schon seit vier Jahren über dem Zielwert liegt", so die Zinsexpertin. Ihrer Meinung nach dürfte die Fed die Zinsen nicht überstürzt senken und bei rascher Deregulierung und Steuersenkungen eventuell auch gar nicht.

Das Hauptszenario der Expertin
Auf der fiskalischen Seite glaubt Desai nicht an eine echte Konsolidierung und Ausgabensenkung. Zugleich könnten die laufenden Handelsgespräche ihrer Einschätzung nach noch immer scheitern, was wieder große Unsicherheiten und Ängste vor einer Rezession in den USA und weltweit zur Folge hätte. Das wiederum würde Erwartungen an Zinssenkungen der Fed schüren und einen Rückgang der Anleiherenditen fördern. "Aber ebenso könnten wir sehen, dass das Wachstum wieder anzieht, was die Fed in die Warteschleife treibt und die Anleiherenditen in die Höhe treibt, was auf ein immer noch hohes Haushaltsdefizit zurückzuführen ist", so Desai.

Eine verworrene Lage also. Immerhin benennt die Anleihen-Chefin ein Hauptszenario, und das ist das eines steigenden Haushaltsdefizits, stärkeren Wirtschaftswachstums und höherer Anleihenrenditen. Das wäre wohl nicht schön für US-Anleihen, aber dafür besser für Aktien. (jh)