Italiens EZB-Rat ist sauer auf "Plappermäuler" unter seinen Kollegen
Ignazio Visco hat seine Kollegen aus der Falken-Fraktion der Europäischen Zentralbank ungewöhnlich offen dafür kritisiert, dass sie sich zu zukünftigen Zinserhöhungen äußern, obwohl sich die Währungshüter darauf geeinigt hatten, keinen solchen Ausblick mehr zu geben.
Der Ausbruch von EZB-Ratsmitglied Ignazio Visco, Gouverneur der italienischen Notenbank, am Ende einer Rede in Rom am Mittwoch (8.3.) zeigt die wachsenden Spannungen innerhalb des höchsten Gremiums der Europäischen Zentralbank, das sich nächste Woche hinter verschlossenen Türen in Frankfurt trifft, um die weitere Geldpolitik festzulegen. "Die Unsicherheit ist so groß, dass sich der EZB-Rat darauf geeinigt hat, 'Sitzung für Sitzung' zu entscheiden, ohne 'Forward Guidance'", sagte Visco. "Ich halte daher nichts von den Äußerungen meiner Kollegen über künftige und anhaltende Zinserhöhungen."
Visco äußerte sich als einer der letzten EZB-Räte, bevor die Schweigephase vor der Ratssitzung beginnt. Dort dürfte sich eine heiße Debatte darüber entspannen, wie viele und wie große weitere Zinsschritte noch vorgenommen werden sollen. Visco und die anderen eher taubenhaften Räte hatten in der Debatte im Vorfeld eher nicht die Oberhand.
Verschärfte öffentliche Auseinandersetzung
Vor allem der österreichische Gouverneur und Erz-Falke Robert Holzmann ließ erkennen, dass er der für nächste Woche anstehenden Erhöhung um einen halben Prozentpunkt gleich noch drei weitere folgen lassen würde – was den EZB-Einlagensatz auf 4,5 Prozent bringen würde (mehr darüber in "Weitere News zu diesem Thema" im Anschluss). Sein belgischer Kollege Pierre Wunsch hatte am Freitag (3.3.) Markterwartungen für einen Zinsgipfel von vier Prozent bestärkt. Die öffentliche Auseinandersetzung hat sich verschärft, nachdem vergangene Woche die Kerninflation im Euroraum auf 5,6 Prozent angestiegen ist, den höchsten Wert in der Geschichte des Euro. Am selben Tag wie Holzmann sprach auch Chefvolkswirt Philip Lane und empfahl eine vorsichtigere Herangehensweise.
Zuvor hatte Visco erklärt, dass die Geldpolitik datenorientiert bleiben müsse, um die anhaltende globale und geopolitische Unsicherheit zu bewältigen. "Die ernste geopolitische Lage erschwert die Vorhersage künftiger makroökonomischer Trends", sagte er. "Die Geldpolitik muss daher weiterhin umsichtig sein und sich an den verfügbaren Daten orientieren, um die Inflation mittelfristig wieder auf zwei Prozent zu bringen, ohne die Finanzstabilität zu gefährden, und um die Auswirkungen auf den fragilen Aufschwung möglichst gering zu halten."
Am Mittwoch (8.3.) zeigten revidierte Daten, dass das Bruttoinlandsprodukt des Euroraums Ende 2022 doch nicht gewachsen ist, nachdem zuvor Deutschland und Irland ihre Zahlen nach unten korrigiert hatten. Die ursprünglichen Zahlen hatten einen Anstieg von 0,1 Prozent im vierten Quartal angezeigt. (mb/Bloomberg)