Luca Pesarini: "Die Börsenverluste sind nicht von Dauer"
Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE erklärt der Top- Investor von Ethenea, unter welchen Ideal-Bedingungen ein Brexit der europäischen Idee und damit schlussendlich auch den gecrashten Kapitalmärkten neuen Schub verleihen könnte.
Luca Pesarini hat seine Lektion gelernt. Eine Überdosis Wagemut hatte dem von ihm co-gemanagte Mischfonds Ethna-Aktiv zum Jahreswechsel 2015/16 einen empfindlichen Dämpfer verpasst. Die darauf eingeleitete Risikoreduzierung kam Pesarini in den Brexit-Turbulenzen nun zugute, wie er im Interview mit FONDS professionell ONLINE enthüllt.
Herr Pesarini, welche Folgen hat der Brexit für die Kapitalmärkte?
Luca Pesarini: Kurzfristig führt diese Entscheidung zu enormer Volatilität, von welcher vor allem "sichere Häfen" wie deutsche und amerikanische Staatsanleihen sowie der Schweizer Franken und der US-Dollar profitieren. Die Zentralbanken haben sich auch wieder in Alarmbereitschaft versetzt und sind bereit zu intervenieren, sollten zu starke Bewegungen in Währungen oder Zinsen zu Instabilität an den Finanzmärkten führen.
Wie geht es aus Investorensicht jetzt weiter?
Luca Pesarini: Unmittelbar nach Bekanntgabe der "Leave"-Entscheidung wurden europäische Aktien stark in Mitleidenschaft gezogen. Wir erwarten jedoch, dass dies keine dauerhaften Verluste sein werden, da sich fundamental wirtschaftliche Beziehungen in den kommenden zwei Jahren vorerst nicht ändern werden. Ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor wird jedoch weiter von der Unsicherheit rund um die bald beginnenden Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien ausgehen. Die Schwankungsbreite an den Märkten wird also unverändert hoch bleiben.
Was sind besondere Risiken, die sich aus der Entscheidung ergeben?
Pesarini: Das größte Risiko, welches sich aus dem Entscheid ergibt, ist ein möglicher Anstoß weiterer Referenden zur EU-Mitgliedschaft in Europa, die wiederum regionale Abspaltungsbestrebungen befeuern. Dies könnte das Fundament der Europäischen Union gefährden. Wir wollen hier jedoch keine Panik schüren, da das Fordern eines Referendums durch Protestparteien nicht bedeutet, dass ein solches auch tatsächlich abgehalten wird. Es ist jedoch von hoher Wichtigkeit, dass die Europäische Union in ihrer Reaktion und den folgenden Austrittsverhandlungen geeint und wohlüberlegt vorgeht.
Wo liegen eventuelle Chancen, die aus den neuen Tatsachen entstehen?
Pesarini: Die EU hat es mehrfach geschafft, aus politischen Krisen gestärkt hervor zu gehen. Sollte sie sich in den kommenden Austrittsverhandlungen als starke und geeinte Union positionieren, die sich ihrer Vorteile klar bewusst ist und diese als Stärke in den Verhandlungen einsetzten kann, bietet diese Entwicklung auch die Gelegenheit, das Bild der Union nach außen wie innen zu stärken. Auch eine Verschiebung von Arbeitsplätzen internationaler Firmen von England nach Kontinentaleuropa könnte positive Impulse für die europäische Wirtschaft bringen.
Wie waren Sie im Vorfeld der Entscheidung konkret in Ihrem Fonds aufgestellt und wie reagieren Sie nun auf die "Leave"-Entscheidung?
Pesarini: Kapitalerhalt und Volatilitätsmanagement sind unsere obersten Ziele. Daher haben wir uns im Vorfeld des Referendums vorsichtig positioniert, was die Flexibilität der Fonds in dem derzeitigen sehr unsicheren Umfeld verbessert. Wir behalten unsere derzeitige Strategie bei, da wir der Meinung sind, dass es aufgrund der Kombination eines sehr unsicheren Marktumfelds und der volatilen Marktpreise noch zu früh ist, um in unseren Fonds deutlich mehr Risiken einzugehen. Es ist aber klar, dass auch das aktuelle Umfeld einige interessante Investitionsmöglichkeiten bietet. (hh)